Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtbarkeit der Erbausschlagung wegen Eigenschaftsirrtums; Beginn der Anfechtungsfrist
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Irrtum über die Zugehörigkeit von Rechten oder Verbindlichkeiten zum Nachlass kann gem. §§ 119 Abs. 2 BGB, 1954 Abs. 1 BGB zur Anfechtung einer Erbausschlagung wegen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses berechtigen, wenn er zur Vorstellung einer tatsächlich nicht bestehenden Überschuldung führt.
2. Für den Beginn der Anfechtungsfrist gem. § 1954 Abs. 2 S. 1 BGB ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Anfechtende zuverlässige Kenntnis von den seinen Eigenschaftsirrtum begründenden Tatsachen erlangt.
3. Haben mehrere Erben nacheinander die Erbschaft ausgeschlagen, beginnt die Anfechtungsfrist für den nachrangigen Erben nicht erst mit der Kenntnis davon, dass vorrangige Erben von ihrem Anfechtungsrecht keinen (wirksamen) Gebrauch gemacht haben.
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 20.12.2000; Aktenzeichen 87 T 470/00) |
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Aktenzeichen 62 VI 14/97) |
Tenor
Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Beschwerdewert wird für das Verfahren der weiteren Beschwerde auf 100.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
Die Ende November 1996 verstorbene Erblasserin hat keine letztwillige Verfügung hinterlassen. Ihre zur gesetzlichen Alleinerbin berufene Tochter, die Mutter des Beteiligten, und der Beteiligte hatten die Ausschlagung der Erbschaft wegen Überschuldung des Nachlasses ggü. dem Nachlassgericht am 10. bzw. 13.1.1997 erklärt. In notarieller Verhandlung vom 13.3.2000 beantragte der Beteiligte die Erteilung eines Alleinerbscheins aufgrund gesetzlicher Erbfolge und erklärte die Anfechtung seiner Ausschlagungserklärung wegen irrtümlicher Annahme der Überschuldung des Nachlasses. Ende Februar 2000 sei seiner Mutter von einem Erbenermittler aus der Schweiz mitgeteilt worden, dass dieser Bankkonten des vorverstorbenen Bruders der Erblasserin, dessen Miterbin zu 1/4 sie war, ermittelt habe, an denen der Erbanteil der Erblasserin ca. 100.000 DM ausmachen werde. Seine Mutter habe ihn darüber vergangene Woche unterrichtet. Der beurkundende Notar reichte den Erbscheinsantrag am 26.4.2000 beim Nachlassgericht ein. Das AG hat den Antrag zurückgewiesen, weil die Anfechtungsfrist gem. § 1954 Abs. 2 S. 1 BGB spätestens am 13.3.2000 zu laufen begonnen habe und am 25.4.2000 abgelaufen sei, Beschwerde und weitere Beschwerde blieben erfolglos.
Entscheidungsgründe
Die weitere Beschwerde ist zulässig gem. §§ 27, 29 FGG. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung, mit der das LG die Beschwerde des Beteiligten gegen die Zurückweisung seines Erbscheinsantrags zurückgewiesen hat, beruht nicht auf einem Rechtsfehler, auf den eine weitere Beschwerde mit Erfolg allein gestützt werden kann (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 f. ZPO).
Das LG hat angenommen, der Beteiligte sei nicht gesetzlicher Erbe der Erblasserin geworden, weil seine mit notarieller Urkunde vom 13.3.2000 erfolgte Erklärung der Anfechtung seiner am 13.1.1997 ggü. dem Nachlassgericht wirksam erklärten Ausschlagung der Erbschaft dem Nachlassgericht nicht innerhalb der sechswöchigen Anfechtungsfrist gem. § 1954 Abs. 1 und 2 S. 1 BGB zugegangen sei. Der Lauf dieser Frist habe in der Woche vor dem 13.3.2000 begonnen, als ihn seine Mutter über die Ende Februar 2000 erhaltene Mitteilung des Erbenermittlers aus der Schweiz informiert habe, dieser habe Bankkonten des 1972 vorverstorbenen Bruders der Erblasserin in der Schweiz ermittelt, an denen der Erbanteil der Erblasserin ca. 100.000 DM ausmachen werde. Die hinreichende Zuverlässigkeit der dadurch erlangten Kenntnis des Beteiligten von seinem Irrtum über die Zugehörigkeit dieses Vermögenswerts zum Nachlass folge bereits aus der Tatsache der Abgabe der Anfechtungserklärung und Stellung des Erbscheinsantrags in der notariellen Verhandlung vom 13.3.2000. Nach § 1954 Abs. 2 S. 1 BGB sei Voraussetzung für den Fristbeginn allein die Kenntnis der für den Anfechtungsgrund maßgeblichen Tatsachen, nicht aber auch die Kenntnis des Anfechtungsrechts. Daher habe die für ihn geltende Anfechtungsfrist nicht erst mit dem Ablauf der für seine Mutter als vorrangiger Erbin gegebenen Anfechtungsfrist begonnen. Die sechswöchige Frist habe spätestens am 25.4.2000 geendet, sodass die am 26.4.2000 bei dem Nachlassgericht eingegangene Anfechtungserklärung verspätet sei. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.
Das LG ist ohne Rechtsfehler von der Wirksamkeit der am 13.1.1997 zur Niederschrift des Nachlassgerichts erklärten Ausschlagung der Erbschaft wegen Überschuldung des Nachlasses ausgegangen. Nach §§ 1944 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, 1945 BGB musste die Ausschlagung binnen sechs Wochen ab dem Zeitpunkt, in welchem der Beteiligte von dem Erbfall und dem Grunde der Berufung Kenntnis erhielt, durch Erklärung ggü. dem Nachlassgericht erfolgen. Da zur Kenntnis der den Anfall begründenden Tatsachen auch die der Ausschlagung der Erbschaft durch se...