Dr. Mario Nöll, Gabriela Hack
Rz. 102
Zur Insolvenzmasse gehören nach allgemeinen Grundsätzen auch die gesetzlichen Feststellungs- und Verwertungskostenpauschalen, die der Insolvenzverwalter im Falle der Feststellung und Verwertung von mit Absonderungsrechten, also Sicherungsrechten gemäß §§ 50 f. InsO, belasteten beweglichen Sachen oder Forderungen gemäß § 171 InsO beanspruchen kann. Der Anwendungsbereich des § 171 InsO beschränkt sich auf die unter § 166 InsO fallenden beweglichen Sachen und Forderungen. Nach § 166 Abs. 1 InsO darf der Insolvenzverwalter eine bewegliche Sache, an der ein Absonderungsrecht besteht, freihändig verwerten, wenn er die Sache in seinem Besitz hat. Nach Abs. 2 der Vorschrift darf er eine Forderung, die der Schuldner zur Sicherung eines Anspruchs abgetreten hat, einziehen oder in anderer Weise verwerten.
Das Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters gemäß § 166 InsO bezieht sich nur auf bewegliche Sachen, an denen ein Absonderungsrecht besteht, und auf Forderungen. Eine direkte oder analoge Anwendung der Vorschrift auf sonstige Rechte, wie etwa Markenrechte, scheidet aus.
Rz. 103
Für die Verwertung beweglicher Sachen durch den Insolvenzverwalter sieht das Gesetz einen Feststellungskostenbeitrag i.H.v. 4 % des Verwertungserlöses (§ 171 Abs. 1 S. 2 InsO) sowie einen Verwertungskostenbeitrag i.H.v. 5 % (§ 171 Abs. 2 S. 1 InsO für die freie Insolvenzmasse vor. Zusätzlich zu der Verwertungskostenpauschale fällt die Umsatzsteuer an, sofern die Masse mit Umsatzsteuer belastet wird, § 171 Abs. 2 S. 3 InsO. Demgegenüber versteht sich die Feststellungskostenpauschale als Bruttobetrag, die auch die etwaige Umsatzsteuer umfasst.
Rz. 104
Die Vorschrift des § 171 InsO ist dispositiv. Bei komplexen Sachlagen, etwa wenn der Insolvenzverwalter im Rahmen einer Betriebsfortführung vor einem Verkauf wertsteigernde Veredelungsleistungen vornimmt oder schwierige Abgrenzungsfragen mit konkurrierenden Sicherungsgläubigern (z.B. unterschiedlichen Lieferanten und einer Bank als Raumsicherungszessionarin, die sich in einem Sicherheitenpool zusammengeschlossen haben) erforderlich sind, werden zuweilen auch deutlich höhere Verwertungskostenpauschalen vereinbart.
Rz. 105
Will der Gläubiger geltend machen, dass die Kosten für die Verwertung eines mit einem Absonderungsrecht belasteten Gegenstandes erheblich niedriger als die gesetzliche Pauschale seien, dann müssen hierfür konkrete Anhaltspunkte vorgetragen werden. Die bloße Behauptung, dass keine oder erheblich niedrigere Kosten angefallen seien, löst keine sekundäre Darlegungslast des Insolvenzverwalters hinsichtlich der tatsächlich entstandenen Verwertungskosten aus, da dieser sonst praktisch gezwungen wäre, in jedem Einzelfall die Kosten konkret zu ermitteln und dadurch die Vermutung des § 171 Abs. 2 S. 1 InsO faktisch entwertet würde.
Rz. 106
In Nachlassinsolvenzen ist überproportional häufig Immobilieneigentum vorhanden. Auch soweit massezugehörige Immobilien mit Grundpfandrechten belastet sind, kommt häufig eine freihändige Verwertung derselben in Betracht, selbst dann, wenn das fragliche Objekt wertausschöpfend belastet ist. Erfahrungsgemäß lassen sich mittels freihändiger Verwertung deutlich bessere wirtschaftliche Ergebnisse erzielen als im Wege der Zwangsversteigerung. Eine freihändige Verwertung ist allerdings nur mit Zustimmung aller beteiligten Grundpfandrechtsinhaber möglich, da diese im Zuge der Kaufvertragsabwicklung der Löschung ihrer Grundpfandrechte zustimmen müssen.
Rz. 107
Dies gilt auch für solche Inhaber nachrangiger Rechte, die in einer gedachten Zwangsversteigerung keine Chance auf eine auch nur teilweise Befriedigung hätten, da die Valuten vorrangiger Gläubiger den Verkehrswert der Immobilie deutlich übersteigen. Gegen die Gläubiger sog. Schornsteinhypotheken besteht kein Anspruch des Insolvenzverwalters auf Löschungsbewilligung bei vorrangig wertausschöpfender Belastung des Grundstücks. Solche Gläubiger können oftmals nur durch Vereinbarung einer "Lästigkeitsprämie" dazu bewegt werden, einer freihändigen Verwertung zuzustimmen. Solche Lästigkeitsprämien dürfen nicht zulasten der freien Insolvenzmasse gehen, sondern sind so zu vereinbaren, dass sie wirtschaftlich aus dem zugunsten der vorrangigen Rechte abzusondernden Erlösanteil geleistet werden.
Rz. 108
Hinweis
Für den Insolvenzverwalter macht eine freihändige Verwertung wertausschöpfend mit Absonderungsrechten belasteter Gegenstände nur Sinn, wenn die freie Masse in irgendeiner Form an dem Verwertungsergebnis beteiligt wird. § 171 InsO ist auf Immobilien weder direkt noch entsprechend anwendbar. Feststellungs- bzw. Verwertungskostenbeiträge sind daher im Bereich der Immobiliarverwertung frei verhandelbar. Üblich sind prozentuale Beteiligungen im einstelligen Prozentbereich. Möglich ist aber auch die Vereinbarung vorab festgelegter Pauschalen.
Gelegentlich kommt es vor, dass abgesehen von einer wertausschöpfend belasteten Immobilie keinerlei lohnend verwertbares Vermögen im Nachlass vorhanden is...