Prof. Dr. Jutta Müller-Lukoschek
Rz. 5
Die Abgrenzung zwischen inländischem und ausländischem Recht im Sinne des § 17 Abs. 3 BeurkG bestimmt sich grundsätzlich danach, wer das Recht erlassen hat. Inländisches Recht hat der Notar zu kennen. Zum inländischen Recht gehört das gesamte
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deutsche Kollisionsrecht, und |
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das EU-Recht, da dieses in Deutschland unmittelbar gilt, |
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ebenso die Staatsverträge, soweit sie (aufgrund des jeweiligen Zustimmungsgesetzes über Art. 59 Abs. 2 GG) unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht geworden sind. |
Rz. 6
Rück- und Weiterverweisungen muss der Notar nicht kennen, soweit sie sich aus ausländischen Kollisionsnormen ergeben; unter Geltung der ErbVO können derartige Verweisungen nur noch durch das Kollisionsrecht von Drittstaaten Bedeutung erlangen (Art. 34 Abs. 1 ErbVO, nicht jedoch, wenn das Recht des Drittstaates gewählt wurde, vgl. Art 34 Abs. 2 ErbVO).
Rz. 7
Das von der ErbVO jeweils berufene Sachrecht ist ausländisches Recht, das der Notar nicht zu kennen braucht. Wenn er nicht verpflichtet ist ausländisches Recht zu kennen, bedeutet das nicht, dass er daran gehindert ist, über das ausländische Recht zu beraten und dieses anzuwenden. Allerdings ist insofern höchste Vorsicht geboten, denn wenn der Notar eine Belehrung über ausländisches Recht erteilt, so haftet er gem. § 19 BNotO auch für ihre Richtigkeit. Dies folgt aus dem Grundsatz, dass eine Auskunft sachgerecht, unmissverständlich und vollständig zu erteilen ist, auch wenn eine Pflicht zu ihrer Erteilung nicht besteht.
Ob ein entsprechender Haftungsausschluss möglich ist, ist streitig, im Ergebnis aber zu verneinen. Überdies schließen die allgemeinen Versicherungsbedingungen vieler deutscher Haftpflichtversicherungen den Versicherungsschutz für Schäden aus, die wegen Verletzung oder Nichtbeachtung ausländischen Rechts entstehen. Möchte der Notar über ausländisches Recht belehren und gegen daraus erwachsende Risiken versichert sein, so empfiehlt sich der Abschluss eines Zusatzvertrages mit zusätzlicher Deckung des Risikos.
Rz. 8
Es wäre – de lege ferenda – wünschenswert, wenn der deutsche Gesetzgeber auch und gerade im Lichte der ErbVO dieses "Alles-oder-nichts-Prinzip" im Hinblick auf die Belehrung über ausländisches Recht aufgeben würde. Im Kern geht es bei § 17 Abs. 3 BeurkG darum, den Parteien die Inkompetenz des Notars zu offenbaren.
Wegen der Haftungsrisiken wird aber sogar derjenige Notar von einer Beratung absehen, der sich in dem fremden Recht auskennt, oder zumindest die wesentlichen Grundzüge des ausländischen Rechts beherrscht. Es wäre also nahe liegend (und vor allem im Sinne der Parteien wünschenswert), dass dem Notar gestattet wird, eine grundlegende Einschätzung vorzunehmen. Offenbart der Notar seine Erkenntnisquellen, können die Parteien selbst abschätzen und entscheiden, ob und wieweit sie sich auf diese Recherche verlassen wollen. Die Haftung des Notars könnte z.B. dann darauf begrenzt werden, dass er eine sorgfältige Einsichtnahme dieser Quellen vorgenommen hat, eine Haftung für die Zuverlässigkeit und/oder Vollständigkeit der Quellen oder ihre Aktualität könnte ausgeschlossen werden.