Rz. 130
Bei diesen Unfällen ist typischerweise zwischen Unfallkonstellationen zu unterscheiden, die einerseits auf dem Umfahren von Hindernissen beruhen, die dem normalen Straßenverkehr zuzurechnen sind und anderseits auf das Passieren einer Fahrbahnverengung zurückzuführen sind, welche die Fahrbahneigenschaft der betroffenen Seite aufheben.
Rz. 131
Tritt im Straßenverkehr auf einer Fahrspur ein mobiles, nicht ortsfestes Hindernis auf, trifft den an der Weiterfahrt auf derselben Fahrspur gehinderten Fahrzeugführer gem. § 6 StVO eine Wartepflicht gegenüber dem Gegenverkehr, soweit dieser sichtbar ist. An einer unübersichtlichen Stelle gebietet ansonsten § 1 StVO die Einfahrt erst nach dem Geben von Warnzeichen (Licht- und Schallhupe). Kommt es bei der Umfahrt des Hindernisses auf der Gegenfahrbahn zu einer Kollision, spricht gegen den auf die Gegenfahrbahn geratenen Fahrzeugführer der Beweis des ersten Anscheins und er haftet grundsätzlich alleine. So hat beispielsweise auch der BGH die Haftung zu 100 % auf Seiten eines wartepflichtigen Lkw gesehen, der auf der Gegenfahrbahn mit einem zum Stillstand gekommenen Motorrad im bevorrechtigten Gegenverkehr kollidiert ist. Ist das entgegenkommende Fahrzeug noch in Bewegung, kann dies auch ohne ein Verschulden zu einer Mithaftung aus einer verbleibenden Betriebsgefahr von 20 %, ausnahmsweise in einer besonderen Situation (wie etwa der Vorbeifahrt an einem haltenden Bus) zu 25 % führen.
Rz. 132
Muster 4.48: Alleinhaftung des Wartepflichtigen wegen Verstoß gegen § 6 StVO
Muster 4.48: Alleinhaftung des Wartepflichtigen wegen Verstoß gegen § 6 StVO
Tritt im Straßenverkehr auf einer Fahrspur ein mobiles, nicht ortsfestes Hindernis auf, trifft den an der Weiterfahrt auf derselben Fahrspur gehinderten Fahrzeugführer gem. § 6 StVO eine Wartepflicht gegenüber dem Gegenverkehr. Kommt es bei der Umfahrt des Hindernisses auf der Gegenfahrbahn zu einer Kollision, spricht gegen den auf die Gegenfahrbahn geratenen Fahrzeugführer der Beweis des ersten Anscheins und er haftet grundsätzlich alleine (Grundlegend bereits BGH, Urt. v. 20.10.1961 – VI ZR 39/61 = VersR 1962, 156; KG, Urt. v. 2.7.2007 – 22 U 198/06 = zfs 2008, 12; OLG Celle, Urt. v. 8.11.2001 – 14 U 267/00 – juris; LG Berlin, Urt. v. 7.12.2005 – 24 O 422/05 = SP 2006, 125).
Rz. 133
Kann dem bevorrechtigten Gegenverkehr ein Mitverschulden nachgewiesen werden, etwa weil auf die erkennbare Gefahrenlage nicht rechtzeitig reagiert worden ist, trifft diese eine entsprechende höhere Mithaftung. Gemäß dem Gebot der Rücksichtnahme aus § 1 Abs. 2 StVO muss auch der bevorrechtigte Fahrzeugführer ggf. zurückstehen und darf sein Recht "nicht erzwingen"; ggf. hat er auch die Sorgfaltsanforderungen aus § 11 StVO zu beachten. Zu seinen Lasten verbleibt deshalb häufig ein Mithaftungsanteil, der mit ⅓ bzw. 25 % zu bemessen ist, während angesichts des erheblichen Fehlverhaltens des Wartepflichtigen i.d.R. jedoch dessen Haftungsanteil überwiegt. Auch ein Verstoß des in einer Kurve entgegenkommenden bevorrechtigten Fahrzeugführers gegen das Sichtfahrgebot begründet seine Mithaftung in Höhe von ⅓.
Rz. 134
Muster 4.49: Mithaftung des entgegenkommenden Fahrzeugführers
Muster 4.49: Mithaftung des entgegenkommenden Fahrzeugführers
Gemäß dem Gebot der Rücksichtnahme aus § 1 Abs. 2 StVO muss auch der bevorrechtigte Fahrzeugführer zurückstehen und darf sein Recht "nicht erzwingen" und ggf. hat er auch die Sorgfaltsanforderungen aus § 11 StVO zu beachten (KG Berlin, Urt. v. 2.7.2007 – 22 U 198/06 = zfs 2008, 12). Hiergegen ist zumindest dadurch verstoßen worden, dass das Fahrzeug weiterbewegt worden ist, obwohl ein Fahrzeug im Gegenverkehr erkennbar herannahte. Wegen des hierdurch begründeten Verstoßes gegen zumindest § 1 Abs. 2 StVO ist eine Mithaftung in Höhe von ⅓ allemal angemessen (OLG Koblenz, Urt. v. 3.8.1992 – 12 U 1034/91 = NZV 1993, 195), zumindest aber 25 % (LG Rottweil, Urt. v. 20.2.2017 – 1 O 104/16 – juris). Auch ohne einen schuldhaften Verstoß gegen die StVO resultiert im Übrigen allein aus der Einfahrt in die Engstelle bzw. der Weiterfahrt eine Mithaftung in Höhe von mindestens 20 % (LG Hagen, Urt. v. 22.1.2002 – 1 S 152/02 = zfs 2003, 121).
Rz. 135
Kann der Wartepflichtigen den gegen ihn sprechenden Anscheinsbeweis entkräften und trifft die andere Seite auch kein Verschulden, sind lediglich die jeweiligen Betriebsgefahren der Fahrzeuge gegeneinander abzuwägen. Angesichts der Fahrt auf die Gegenfahrbahn und des damit verbundenen besonderen Gefahrenpotentials, welches über ein normales "Geradeausfahren" hinausgeht, ist zu Lasten des Wartepflichtigen eine erhöhte Betriebsgefahr zu berücksichtigen. Hieraus resultiert seine überwiegende Haftung, die beispielsweise nach dem in der Hamburger Rechtsprechung vorherrschenden Dezimalsystem i.d.R. bei 60 % anzusetzen ist.
Rz. 136
Eine besondere Konstellation liegt vor, wenn trotz des mobilen Hindernisses die Fahrbahn für zwei Fahrzeuge gleichzeitig pas...