Rz. 166
Ein Anspruch i.S.d. Legaldefinition des § 194 BGB gehört zum Nachlass, wenn es sich um
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einen Anspruch der Erbengemeinschaft handelt, der nach dem Erbfall entstanden ist oder |
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einen Anspruch des Erblassers handelt, der mit dem Erbfall auf die Erbengemeinschaft übergegangen ist. |
Ansprüche des Erblassers können sowohl schuldrechtlicher als auch dinglicher sowie öffentlich-rechtlicher Natur sein. Im Gegensatz zum sonst ähnlichen § 432 BGB benennt § 2039 BGB nicht lediglich "eine unteilbare Leistung", sondern weitergehend "einen Anspruch", der "zum Nachlass" gehört. Damit sollte ausdrücklich klargestellt sein, dass S. 1 auch gilt, "wenn die der Erbengemeinschaft zustehende Aktivforderung in einer Geldforderung bestehe".
Rz. 167
Beispiele für Ansprüche i.S.v. § 2039 BGB:
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Auskunftsanspruch gegen eine zum Nachlass gehörende Gesellschaft: Die Auskunft ist allen Miterben "gemeinsam und gleichzeitig zu erteilen". |
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Auskunfts- und Rechenschaftsanspruch gegen den Steuerberater des Erblassers: Ein Miterbe kann somit allein gem. § 2039 BGB, trotz des Widerspruchs der übrigen Miterben, den Steuerberater des Erblassers auf Auskunft hinsichtlich der Steuererklärungen des Erblassers in Prozessstandschaft für die Erbengemeinschaft verklagen. Hat der Erblasser seine Steuererklärung zusammen mit seinem Ehepartner abgegeben, so ist dieser Auskunftsanspruch zwar wegen der fortbestehenden Verschwiegenheitspflicht des Steuerberaters gegenüber dem Ehepartner eingeschränkt. Der Anspruch geht dennoch nicht nur auf Ablichtung einer teilweise abgedeckten gemeinsamen Steuererklärung, sondern auf Gewähr der Einsicht in die Unterlagen. Der verklagte Steuerberater kann den klagenden Erben nicht auf eine Einsicht in die Akten des Finanzamts verweisen. |
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Erbschaftsanspruch (§§ 2018 ff. BGB): Obwohl der Anspruch nicht zum Nachlass gehört, wird § 2039 hier (entsprechend) angewandt. |
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Erlassanspruch gem. § 227 Abs. 1 AO von Säumniszuschlägen gem. § 240 Abs. 1 AO, soweit bereits der Erblasser diesen Anspruch hätte geltend machen können: Im Einspruchsverfahren sind die Miterben weder notwendig hinzuzuziehen noch im FG-Prozess notwendig beizuladen |
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Feststellungsklage |
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Fortsetzung eines vom Erblasser begonnenen (und durch dessen Tod unterbrochenen) Prozesses |
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Grundbuchberichtigungsanspruch zugunsten der Erbengemeinschaft, auch im Wege der Klage |
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Kostenerstattungsanspruch aus Rechtsstreitigkeiten des Erblassers, auch wenn sie von den Erben fortgesetzt werden |
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Rechnungslegungsanspruch gegen Testamentsvollstrecker gem. §§ 2218, 666 BGB; dabei muss "die Urteilsformel (…) allerdings die Einschränkung erhalten, daß die Rechnung gegenüber allen Miterben gemeinsam zu legen ist" |
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Vollstreckungsgegenklage gem. § 767 ZPO gegen die Zwangsvollstreckung in ein Nachlassgrundstück: Hier ist ein Miterbe gem. § 2039 prozessführungsbefugt, wenn damit ein zum Nachlass gehörender Anspruch durchgesetzt werden soll |
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Witwerrentenanspruch des Erblassers bis zu dessen Tod. |
Rz. 168
Die Ausübung von Gestaltungsrechten fällt nicht unter § 2039 BGB, wie sich aus dem weiteren Wortlaut ergibt ("an alle Erben […] leisten"): Gestaltungsrechte schaffen erst die Grundlage für Ansprüche, wohingegen § 2039 deren Durchsetzung ("Durchführungsmaßregel") betrifft. Für Gestaltungsrechte gilt § 2038 BGB, für Verfügungen § 2040 BGB. Dabei ist jedoch auch hier die geänderte Rechtsprechung des BGH zum Verhältnis des § 2040 BGB zu § 2038 BGB und mithin die Möglichkeit der mehrheitlichen Verfügung im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung (siehe oben Rdn 78) sowie der Einzelverfügung im Rahmen der Notverwaltung zu beachten (siehe oben Rdn 124).
Ebensowenig gehört der Anspruch aus § 2287 BGB zum Nachlass: Er steht jedem Schluss- oder Vertragserben persönlich zu. Die Höhe des Bruchteils wird bestimmt durch die Erbquote. Bei einem Grundstück richtet sich der Anspruch auf Übereignung eines entsprechenden Miteigentumsanteils an den Schluss- bzw. Vertragserben.
Rz. 169
Keine Ansprüche i.S.v. § 2039 BGB sind mithin:
Anfechtungsklagen gegen Steuerbescheid; denn das Gericht spricht "im Erfolgsfalle nicht die Verpflichtung aus, den Steuerbescheid aufzuheben, sondern das Gericht hebt ihn selbst auf (§ 100 Absatz 1 Satz 1 FGO)"; in diesem Fall werden nicht die nicht klagenden Erben von den übrigen – klagenden – Erben nach § 62 ZPO vertreten ("Vertretungsfiktion") und sind gem. § 59 FGO zum Klageverfahren hinzuzuziehen.
Ansprüche gegen das Finanzamt auf Überlassung von Kopien der von Kreditinstituten gemäß § 33 ErbStG eingereichten Anzeigen; Schuldner der ErbSt ist jeder einzelne Erbe, weswegen das Besteuerungsverfahren nicht die Rechtsstellung der Erben als Rechtsnachfolger des Erblassers betrifft; anders ist dies bei der Einkommensteuerfestsetzung
Gestaltungsrechte, z.B. Anfechtung eines Gesellschafterbeschlusses
Ansprüche aus § 2287 BGB auf Herausgabe des Geschenks; der Anspruch gehört nic...