Rz. 51
Die Verordnung selbst trifft keine nähere Bestimmung dazu, wer "Träger der elterlichen Verantwortung" ist und lässt somit die familienrechtlichen Bestimmungen in den jeweiligen Mitgliedstaaten zur Anwendung gelangen. Nicht beantwortet ist damit die – jedenfalls in Deutschland – seit einiger Zeit umstrittene Frage, ob hier eine Einwilligung bzw. Zustimmung durch beide Elternteile erforderlich ist oder die Einwilligung nur eines Elternteils als ausreichend angesehen werden kann.
Rz. 52
Hintergrund der Kontroverse ist ein Urteil des Landgerichtes Mannheim. Das Gericht hat entschieden, dass die Abtretung einer ärztlichen Honorarforderung aus der Behandlung eines Minderjährigen an eine gewerbliche Verrechnungsstelle das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Kindes in einer vom Stellenwert und vom Schutzniveau mit dem aus Art. 2 GG folgenden Recht auf körperliche Unversehrtheit vergleichbaren Weise berühre. Daher sei – unabhängig davon, ob dem konkret zu beurteilenden Behandlungsvertrag ein Routineeingriff zugrunde liege oder nicht – für die Einwilligung in die Weitergabe personenbezogener Gesundheitsdaten bei Minderjähriger zu Abrechnungszwecken stets und ausnahmslos die Zustimmung beider sorgeberechtigter Elternteile zu verlangen.
Rz. 53
Die Entscheidung bildet – soweit ersichtlich – eine Einzelfallentscheidung ab und stellt daher keinen Hinweis auf eine gefestigte Rechtsprechung in diese Richtung dar. Gleichwohl stellt sich die Frage, ob die vom LG Mannheim getroffenen (rechtlichen) Feststellungen verallgemeinerungsfähig sind und daher auch im Rahmen der Anwendung des Art. 8 DSGVO Bedeutung erlangen.
Rz. 54
Das LG Mannheim stellt zunächst zutreffend fest, dass die Abtretung einer ärztlichen Honorarforderung, insbesondere mit Blick auf § 402 BGB, die ärztliche Schweigepflicht verletzt und deshalb wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB) gem. § 134 BGB nichtig ist, wenn der Patient der damit verbundenen Weitergabe seiner Abrechnungsunterlagen nicht (vorher) zugestimmt hat. Dies vorausgeschickt, beantwortet das LG Mannheim die Frage, wer bei Honorarforderungen gegenüber Minderjährigen die Einwilligung zu erteilen hat, dahingehend, dass dies nur durch beide (sorgeberechtigten) Elternteile gemeinschaftlich geschehen könne. Dieses Ergebnis beruhe maßgeblich darauf, dass das Recht, über die Verwendung personenbezogener Daten selbst zu bestimmen, eine zentrale Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstelle und daher vom Stellenwert und vom Schutzniveau vergleichbar mit dem aus Art. 2 GG folgenden Recht auf körperliche Unversehrtheit sei. Da die Rechtsprechung hier zumindest bei schweren Eingriffen die Zustimmung beider Elternteile verlangt, erscheine es angemessen, dies auch für die Übermittlung von "sensiblen Daten" gelten zu lassen. Dass es sich bei jeder Datenübermittlung von Gesundheitsdaten um "schwere Eingriffe" handele, sei dadurch belegt, dass ein Arzt selbst gegenüber den Eltern eines minderjährigen Patienten zur Verschwiegenheit über die Details der Behandlung verpflichtet sein könne und auch eine Bevollmächtigung zur Einwilligung in die Weitergabe personenbezogener Daten gem. § 4a BDSG generell nicht zulässig sei.
Rz. 55
Das LG Mannheim verkennt dabei bereits den Schutzumfang des vom BVerfG in seinem Volkszählungsurteil etablierten Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, wenn es ausführt, aus diesem sei ein (absolutes) Recht des Betroffenen dahingehend abzuleiten, selbst zu entscheiden, wann Daten über ihn verarbeitet werden (hier in der Ausprägung der Übermittlung). Das Bundesverfassungsgericht hat diesbezüglich vielmehr bereits frühzeitig klargestellt, dass das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nicht unbeschränkt gilt und ausgeführt:
Zitat
"Der Einzelne hat nicht ein Recht im Sinne einer absoluten, uneinschränkbaren Herrschaft über "seine" Daten; er ist vielmehr eine sich innerhalb der sozialen Gemeinschaft entfaltende, auf Kommunikation angewiesene Persönlichkeit. Information, auch soweit sie personenbezogen ist, stellt ein Abbild sozialer Realität dar, das nicht ausschließlich dem Betroffenen allein zugeordnet werden kann. Das Grundgesetz hat, wie in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mehrfach hervorgehoben ist, die Spannung Individuum – Gemeinschaft im Sinne der Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit der Person entschieden. [...] Grundsätzlich muss daher der Einzelne Einschränkungen seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung im überwiegenden Allgemeininteresse hinnehmen."
Rz. 56
Es bedarf (lediglich) einer gesetzlichen Grundlage, die hinreichend konkret und bestimmt die Voraussetzungen für Eingriffe festlegt und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip hinreichend Rechnung trägt. Dies ist der Fall, wenn ein Eingriff ein legitimes Ziel verfolgt, geeignet, erforderlich und angemessen im engeren Sinn ist. Dass sensitive Daten, insbesondere Gesundheitsdaten, von diesem Grundsatz ausgenommen wären, ka...