Dr. iur. Frank Fad, Prof. Dr. Günther Schneider
Rz. 164
Vom Grundsatz, dass Führer eines Kraftfahrzeugs nur sein kann, wer die tatsächliche Herrschaft über das Fahrzeug ausübt, gibt es eine gesetzliche Ausnahme: kraft der gesetzlichen Fiktion des § 2 Abs. 15 S. 2 StVG gilt der Fahrlehrer als Führer des vom Fahrschüler gefahrenen Fahrzeugs. Die hiernach normierte Fiktion führt dazu, dass der Fahrschüler regelmäßig nicht nach der Gefährdungshaftung haftet; stattdessen haftet insoweit der Fahrlehrer. Hinzuweisen bleibt allerdings darauf, dass außerhalb des Anwendungsbereichs der Fiktion des § 2 Abs. 15 S. 2 StVG der "Fahrlehrer, der als Beifahrer während einer Ausbildungsfahrt einen Fahrschüler begleitet, dessen fortgeschrittener Ausbildungsstand zu einem Eingreifen in der konkreten Situation keinen Anlass gibt, nicht Führer des Kraftfahrzeugs im Sinne des § 23 Abs. 1a S. 1 StVO (ist)".
Rz. 165
Der Fahrschüler haftet aus dem StVG nicht, wenn er ordnungsmäßig von dem Fahrlehrer begleitet ist. Denn nach § 2 Abs. 15 S. 2 StVG gilt der Fahrlehrer als Führer des Fahrzeuges, so dass ihn die Haftung aus § 18 StVG trifft. Dies gilt auch dann, wenn der Fahrschüler auf einem Motorrad seinem Fahrlehrer hinterherfährt. oder wenn der Fahrlehrer von einem anderen Fahrzeug oder einer sonstigen geeigneten Stelle aus den Fahrschüler kontrolliert und evtl. durch Zurufe anweist, sich richtig zu verhalten. Nur wenn der Fahrschüler ohne jede Beaufsichtigung durch den Fahrlehrer mit dem Fahrzeug fährt, ist er als Führer anzusehen und würde seinerseits aus § 18 StVG haften. Unberührt bleibt die Haftung aus § 7 StVG, falls der Fahrschüler Halter des Fahrzeugs ist. Im Übrigen gilt der Fahrschüler während einer Übungsfahrt als ein beim Betrieb beschäftigter Dritter i.S.d. § 8 Nr. 2 StVG, sofern er nicht selbst Halter des Fahrzeugs ist, mit der Folge, dass sich die Fahrschule als Halterin des Fahrzeugs das Fehlverhalten des Fahrschülers auch dann zurechnen lassen muss, wenn der Fahrlehrer selbst den Unfall auch bei Anwendung der größtmöglichen Sorgfalt nicht verhindern konnte.
Rz. 166
Neben diesen Bestimmungen haftet der Fahrschüler jedoch aus § 823 BGB, wenn ihn selbst ein Verschulden trifft. Ein solches eigenes Verschulden des Fahrschülers liegt vor, wenn er das Fahrzeug ohne die vorgeschriebene Beaufsichtigung durch den Fahrlehrer benutzt, oder wenn der Fahrschüler sich in schwierige Verkehrslagen begibt, denen er noch nicht gewachsen ist. Dieses Verschulden kann auch neben der Mithaftung des Fahrlehrers bestehen, wenn dieser ihn beaufsichtigt, aber ihn von seinem leichtsinnigen Verhalten nicht abgehalten hat. Eine genaue Abgrenzung der Pflichten des Fahrlehrers gibt das Urteil des KG vom 4.7.1966. Fehlt dem Schüler aber noch das erforderliche Können, so haftet er nicht.
Rz. 167
Der Fahrlehrer haftet einmal nach § 2 Abs. 15 i.V.m. § 18 StVG; er haftet aber weiter auch aus § 823 BGB, wenn er Verstöße des Fahrschülers nicht verhindert, obwohl er dazu die Möglichkeit gehabt hat, wenn er dem Fahrschüler einen leichtfertigen Rat gibt, oder wenn er der ihm obliegenden Aufsichtspflicht nicht genügt. Eine Aufsichtsverletzung des Fahrlehrers kann bei ganz plötzlichen unvorhersehbaren Fahrbewegungen des Fahrschülers verneint werden.
Rz. 168
Den Fahrlehrer trifft neben der besonderen Haftung aus StVG eine allgemeine Haftung, die sich aus seiner Stellung als Lehrer dem Schüler gegenüber ergibt. Er hat die gesamte Ausbildung des Fahrschülers zu überwachen, ihn daher mit Rat und Tat zu unterstützen und alles zu unterlassen, was eine Gefährdung der Öffentlichkeit durch den noch nicht genügend sicheren Fahrschüler herbeiführen könnte. Wenn der Fahrlehrer daher seinem Schüler erlaubt oder ihm gar dazu rät, mit einem Kraftfahrzeug Übungsfahrten zu machen, ohne dass die erforderliche Beaufsichtigung vorhanden ist, so haftet er aus § 823 BGB.
Rz. 169
Erleidet der Fahrschüler selbst wegen Verletzung der dem Fahrlehrer obliegenden Fürsorgepflichten einen Schaden, so haftet der Fahrlehrer allerdings nur wegen Vertragsverletzung und gemäß §§ 823 ff. BGB, nicht aber aus den §§ 7, 18 StVG. Denn auch der Fahrschüler ist "beim Betrieb des von ihm gelenkten Fahrzeugs" i.S.d. § 8 Nr. 2 StVG tätig.
Rz. 170
Ebenso wie § 3 StVG (alt) ist auch § 2 Abs. 15 StVG Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB. Ein Fahrlehrer hat deshalb als verantwortlicher Fahrzeugführer gemäß § 823 BGB für die Verletzungen einzustehen, die ein Motorradfahrschüler wegen Überforderung in der ersten praktischen Fahrstunde erleidet. Die Sorgfaltspflichten eines Motorradfahrlehrers hängen von den Umständen des Einzelfalls ab.
Rz. 171
Für die bürgerlich-rechtliche Haftung ist § 2 Abs. 15 StVG ohne Bedeutung. Der Fahrschüler bleibt den Ansprüchen Geschädigter weiterhin ausgesetzt, die allerdings dann auch ein anspruchsbegründendes Verschulden auf seiner Seite nachzuweisen haben. In derartigen Fällen besteht deshalb gegenüber Drittgeschädigten regelmäßig eine gesamtschuldnerisc...