Dr. iur. Frank Fad, Prof. Dr. Günther Schneider
Rz. 43
§ 7 Abs. 1 StVG richtet die Gefährdungshaftung an den Halter. Der Halter eines Kraftfahrzeugs ist derjenige, der das Kfz für eigene Rechnung in Gebrauch hat und die Verfügungsgewalt innehat, die ein solcher Gebrauch voraussetzt.
Rz. 44
Bei der Beurteilung, wem die Verfügungsgewalt über das Kraftfahrzeug zusteht, kommt es nicht entscheidend auf das Rechtsverhältnis am Kraftfahrzeug an, insbesondere nicht auf die Frage, wer dessen Eigentümer ist; vielmehr ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise maßgebend, bei der es vor allem auf die Intensität der tatsächlichen, in erster Linie wirtschaftlichen Beziehung zum Betrieb des Kraftfahrzeuges im Einzelfall ankommt. Wer danach tatsächlich und wirtschaftlich der eigentlich Verantwortliche für den Einsatz des Kraftfahrzeuges im Verkehr ist, schafft die vom Fahrzeug ausgehenden Gefahren, für die der Halter nach den strengen Vorschriften des Straßenverkehrsgesetzes einstehen soll.
Rz. 45
Allerdings bietet das Eigentum, das seinem Inhaber innerhalb der durch die Rechtsordnung gesetzten Grenzen das Recht vermittelt, mit der Sache nach Belieben zu verfahren (vgl. § 903 S. 1 BGB), einen wesentlichen Anhaltspunkt und damit jedenfalls ein Indiz für die Haltereigenschaft. Denn das Eigentum wird in der Mehrzahl der Fälle demjenigen zustehen, der auch die tatsächliche Verfügungsgewalt und damit die Macht hat, das Fahrzeug einzusetzen sowie den Nutzen daraus zu ziehen. Eine Einschränkung ergibt sich allerdings aus der zunehmenden Zahl finanzierter Kraftfahrzeuge.
Rz. 46
Die Stellung als Halter endet, wem diese Verfügungsgewalt nicht nur vorübergehend, sondern auf längere Zeit ganz entzogen wird. Umgekehrt begründet eine nur vorübergehende Verfügungsmacht noch keine Haltereigenschaft. Bringt also beispielsweise der Halter sein Fahrzeug zur Reparatur in eine Werkstatt, so geht die Haltereigenschaft hierdurch nicht auf deren Betreiber über. Verursacht jetzt ein Werkstattangehöriger, etwa bei einer Probefahrt oder beim Zurückbringen des Fahrzeugs, einen Unfall, so hat der geschädigte Dritte Ansprüche aus der Halterhaftung des § 7 StVG, der Fahrerhaftung des § 18 StVG (zugleich auch gegen den Versicherer aus § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG) und gegen den Inhaber der Werkstatt aus § 831 BGB. Schädigt der Werkstattangehörige bei einer solchen Gelegenheit das Eigentum seines Arbeitgebers, des Inhabers der Werkstatt, haftet diesem neben dem Mitarbeiter auch der Versicherer des Halters, allerdings aus der (gem. AKB A.1.2 Buchst. c mitversicherten) Fahrerhaftung der §§ 18 StVG, 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG, nicht aber aus der Halterhaftung nach § 7 StVG. Letzterem Anspruch, dessen Voraussetzungen eigentlich auch erfüllt sind, steht – aus dem vertraglichen Innenverhältnis zwischen Halter und Werkstatt – der Einwand unzulässiger Rechtsausübung gemäß § 242 BGB entgegen.
Rz. 47
Die tatsächliche Verfügungsmacht setzt keinen unmittelbaren Besitz im Rechtssinne voraus; mittelbarer Besitz genügt. Die tatsächliche Verfügungsgewalt braucht nicht in jedem Augenblick des Bestehens der Haltereigenschaft in dem Sinne vorhanden zu sein, dass der Halter jederzeit im Einzelnen bestimmen kann, welche Fahrt gemacht wird. Vielmehr kann die Verfügungsgewalt des Eigentümers auch in der Weise verwirklicht werden, dass er den Gebrauch des Fahrzeugs einem anderen überlässt. Seine so zum Ausdruck gekommene Verfügungsgewalt geht mit der Überlassung des Gebrauchs noch nicht endgültig verloren. Diese Rechtsprechung beruht auf der Überlegung, dass es mit dem Grundgedanken über die Haftung des Halters nicht vereinbar wäre, wenn der Halter sich durch kurzfristige Überlassung des Gebrauchs an andere Personen seiner Haltereigenschaft entziehen könnte.
Rz. 48
Beschäftigte in einem Betrieb werden nicht ohne Weiteres Halter des von ihnen benutzten Betriebswagens. Hat der Beschäftigte grundsätzlich das Recht, ein dem Unternehmen gehörendes Fahrzeug auch zu Privatfahrten zu nutzen, so ist er neben dem Unternehmer Halter des Kraftfahrzeugs. Bei Firmenwagen, die einem Geschäftsreisenden oder Vertreter zur Benutzung für seinen Beruf überlassen werden, bleibt die Firma Halter. Wird jedoch ein Kfz vom Betrieb gekauft und auch auf diesen zugelassen, der Wagen aber ausschließlich der Tochter überlassen, die auch für die gesamten Betriebskosten allein aufzukommen hat, dann ist nach der Übergabe des Fahrzeugs die Tochter alleinige Halterin des Kfz.
Rz. 49
Halter kann auch sein, wer nur die Treibstoffkosten oder einen anderen Teil der Betriebskosten trägt, wenn er zugleich auch die – nicht nur vorübergehende – Verfügungsgewalt hat.
Rz. 50
Halter eines Kraftfahrzeugs kann auch eine geschäftsunfähige oder in ihrer Geschäftsfähigkeit beschränkte Person sein, weil es ja nicht um eine rechtsgeschäftliche, sondern um eine tatsächliche Verfügungsbefugnis geht. Soweit allerdings der Minderjährige die Haltereigenschaft durch Rechtsgeschäft erwirbt, bedarf es dazu der Zustimmung des geset...