Dr. iur. Frank Fad, Prof. Dr. Günther Schneider
Rz. 34
Bei einem Unfallgeschehen, in dem ein mit besonderer Arbeitsfunktion ausgestattetes Kraftfahrzeug beteiligt ist, z.B. ein Fahrzeug mit fest verbundener Hebebühne, ist darauf abzustellen, ob der Einsatz "bei dem Betrieb" als Kraftfahrzeug erfolgt. Handelt es sich um einen Tankwagen (Kesselwagen), ist zusätzlich darauf abzustellen, ob der Tank ("Kessel") Teil der Ladung oder des Fahrzeugs selbst ist. Die Einbeziehung in die Gefährdungshaftung nach § 7 Abs. 1 StVG richtet sich jeweils danach, ob der Schaden bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges im Sinne von § 7 StVG entstanden ist. Dies ist nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen.
Rz. 35
Handelt sich nicht um ein als Tankwagen konstruiertes Sonderfahrzeug, sondern sind auf dem Fahrzeug einzelne Ölfässer aufgeladen und befestigt, wird man, wenn ein Fass leck wird und auf der Fahrbahn Ölflecken hinterlässt, nicht davon sprechen können, dass sich ein Unfall nachfolgender Fahrzeuge beim Betrieb des Öltransportes ereignet habe. Das Ölfass ist keine Betriebseinrichtung, sondern lediglich Teil der Ladung. Bereits das Reichsgericht hat in seinem Urt. v. 8.3.1939 einen Schaden, der durch das Platzen eines auf einem Lkw beförderten Behältnisses und Ausfließen des Inhaltes entstanden war, nicht zum Betrieb gerechnet. Demgemäß fallen solche Schäden auch nicht unter die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung nach AKB A. 1.1.1, weil es sich nicht um Schäden handelt, die "durch den Gebrauch des Fahrzeugs" entstanden sind, sondern um reine Ladungsschäden, es sei denn, dass die Ursache in der Bewegung des Fahrzeugs (Erschütterung des Ladeguts) entstanden ist. Hat das Fahrzeug lediglich Ölfässer geladen, ohne Tankwagen zu sein, ist der Fahrzeugführer für den ordnungsmäßigen Zustand der Ladung verantwortlich (§§ 22, 23 StVO). Danach muss die Ladung so verstaut sein, dass "sie niemanden gefährdet oder schädigt oder mehr als unvermeidbar behindert oder belästigt" (allgemeiner Grundsatz nach § 1 Abs. 2 StVO). Eine Gefährdung und Belästigung treten ein, wenn die Ladung Ölflecken auf der Fahrbahn hinterlässt. Der Fahrer muss also die Ölfässer auf Dichtigkeit prüfen und sie so verladen, dass unterwegs die Fässer nicht leckschlagen können. Entstandene Ölspuren, die der Fahrer bemerken müsste, hat er nach § 32 StVO zu beseitigen, da sie den Verkehr gefährden. Grundlage der Haftung ist in diesen Fällen die deliktische Haftung aus § 823 BGB; es muss mithin Verschulden vorliegen.
Rz. 36
Anders kann der Fall zu beurteilen sein, in dem das Leckwerden des Ölfasses und das Auslaufen des Öls durch die spezifischen Gefahren des Kraftfahrzeugbetriebs, z.B. Erschütterungen, verursacht sind. In diesem Fall kann ein Zusammenhang mit dem Betriebsvorgang des Fahrens bejaht werden und eine Haftung aus § 7 Abs. 1 StVG in Betracht kommen.
Rz. 37
Handelt es sich um ein als Tankwagen konstruiertes Sonderfahrzeug, das auf der Fahrbahn Ölflecken hinterlässt, stellt der Ölkessel eine Betriebseinrichtung dar, die dem Beförderungszweck dient. Von einer bloßen Ladung ist dann nicht mehr zu sprechen. Der Fahrer ist gemäß § 23 StVO für den ordnungsgemäßen Zustand des Fahrzeugs – also auch des Kessels – verantwortlich. § 22 StVO findet hinsichtlich der anzuwendenden Sorgfalt keine Anwendung, da er sich nur auf die Ladung bezieht. Man wird aber von dem Fahrer verlangen müssen, dass er sich vor Antritt der Fahrt zumindest davon überzeugt, dass kein Öl ausfließt. Ölflecken auf der Fahrbahn muss er gegebenenfalls gemäß § 32 StVO entfernen. Falls das Austropfen von Öl bereits vor Fahrtantritt feststellbar war, liegt Verschulden vor.
Rz. 38
Unfälle, die durch das aus dem Kessel tropfendes oder auslaufendes Öl verursacht werden, geschehen "beim Betrieb" des Tankwagens i.S.d. § 7 StVG. Ein Schaden am Kessel würde regelmäßig den Entlastungsbeweis aus § 17 Abs. 3 StVG ausschließen, da ein Fehler in der Beschaffenheit des Fahrzeugs vorliegt. Für den Versicherungsschutz durch den Kfz-Versicherer, der im Wege des Direktanspruchs nach § 115 VVG in Anspruch genommen wird, wäre es im Übrigen gleichgültig, ob die Haftung des Versicherungsnehmers auf § 7 StVG ("Betrieb") oder auf den §§ 823 ff. BGB beruht ("Gebrauch"; i.S.v. A.1.1.1. AKB). Maßgebend ist, dass der Begriff des Gebrauchs im Sinne von § 1 PflVG den Betrieb des Kraftfahrzeuges im Sinne von § 7 StVG jedenfalls einschließt.
Rz. 39
Hinzuweisen ist darauf, dass die Eintrittspflicht des Kfz-Versicherers auch aus einer Haftung nach § 89 WHG in Betracht kommt, weil der Tankwagen eine Anlage i.S.d. § 89 Abs. 2 WHG darstellt.
Rz. 40
Die Einbeziehung von solchen Kraftfahrzeugen in die Gefährdungshaftung, die, wie ein Tankwagen, mit Arbeitsfunktionen versehen sind, erfordert letztlich, dass der Schaden bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges im Sinne von § 7 StVG entstanden ist. Dies ist anzunehmen, "wenn sich in ihm die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben, d.h. wenn bei der insoweit gebotenen wertenden Bet...