Dr. iur. Frank Fad, Prof. Dr. Günther Schneider
Rz. 227
§ 17 Abs. 1 StVG erfasst den Ausgleich zwischen mehreren haftpflichtigen Kfz-Haltern bei Verursachung eines Drittschadens. Während Abs. 1 die Fallkonstellation der Schädigung eines Dritten durch mehrere Halter erfasst, hat Abs. 2 den Schadensausgleich der beteiligten Halter untereinander zum Gegenstand. Die Ausgleichspflicht trifft nicht nur die Halter der beteiligten Kfz, sondern erfasst ausweislich des § 18 Abs. 1 S. 1 StVG auch die beteiligten Kfz-Führer.
Rz. 228
Tatbestandlich setzen die Abs. 1 und 2 das Bestehen eines gesetzlichen Haftungsanspruchs im Verhältnis zum Geschädigten voraus, der selbstständig neben den Ausgleichsansprüchen der Gesamtschuldner steht. Worauf der Ersatzanspruch beruht, ist ohne Belang; der Anspruch muss im Unfallzeitpunkt kraft Gesetzes entstehen, z.B. Gefährdungshaftung, Delikts- oder Amtshaftung. Für das Verhältnis zwischen den einzelnen Gesamtschuldnern und insbesondere für ihren Ausgleichsanspruch kommt es ausschließlich auf die Umstände, vor allem auf den Grad der beiderseitigen Verursachung, nicht auch auf den Rechtsgrund der Haftung an; der Ausgleichsanspruch wird mithin hinsichtlich seiner rechtlichen Beurteilung völlig von der Haftung des einzelnen Gesamtschuldners gegenüber dem Verletzten losgelöst.
Rz. 229
Dem Dritten gegenüber haften die mehreren Schädiger nach den §§ 7, 18 StVG als Gesamtschuldner in vollem Umfang nach Maßgabe der in den §§ 12, 12a StVG festgelegten Höchstbeträge. Nach Abs. 1 ist zwischen den beteiligten Haltern hinsichtlich des Anspruchs des geschädigten Dritten ein Gesamtschuldnerausgleich vorzunehmen, der im Innenverhältnis zum einen die jeweiligen Haftungsanteile bestimmt und zum anderen, soweit es um selbst erlittene Schäden geht, ihre Haftungsquote (Abs. 2) festlegt.
Rz. 230
Die nach § 17 Abs. 1 StVG zu bestimmende Haftungsquote hängt im Verhältnis der beteiligten Halter zueinander von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Dabei ist in erster Linie das Maß der Verursachung von Belang, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben. Der jeweilige Verschuldensanteil ist hierbei zu berücksichtigen. Weil insoweit zu fragen ist, welcher Unfallbeteiligte in welchem Maße den Schaden zu tragen hat, ist das beiderseitige Verschulden ist "nur" – aber auch jedenfalls – ein Faktor der Abwägung. So kann die schwere Schuld die Betriebsgefahr der Gegenseite ganz zurücktreten lassen; umgekehrt gilt dies auch bei einem besonders geringen Verschulden des Unfallbeteiligten.
Rz. 231
Bei der Prüfung des Kausalzusammenhangs ist zwischen der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität zu unterscheiden. Die haftungsbegründende Kausalität betrifft den Kausalzusammenhang zwischen der Verletzungshandlung und der Rechtsgutsverletzung, d.h. dem ersten Verletzungserfolg (Primärverletzung); insoweit gilt das strenge Beweismaß des § 286 ZPO, das die volle Überzeugung des Gerichts erfordert. Hingegen bezieht sich die haftungsausfüllende Kausalität auf den ursächlichen Zusammenhang zwischen der primären Rechtsgutsverletzung und – hieraus resultierenden – weiteren Gesundheitsschäden des Verletzten (Sekundärschäden). Nur hierfür gilt das erleichterte Beweismaß des § 287 ZPO, d.h. zur Überzeugungsbildung kann eine hinreichende bzw. überwiegende Wahrscheinlichkeit genügen.
Rz. 232
Bei der Schadensabwägung nach § 17 StVG wie auch nach §§ 9 StVG, 254 BGB können nur solche Umstände verwertet werden, von denen feststeht, dass sie eingetreten und für die Entstehung des Schadens ursächlich geworden sind. Ein Verschulden, das nur gesetzlich vermutet wird, darf daher nicht in die Waagschale geworfen werden. In die Abwägung sind alle, aber auch nur diejenigen unstreitigen oder erwiesenen Faktoren einzubeziehen, die eingetreten sind, zur Entstehung des Schadens beigetragen haben und einem der Beteiligten zuzurechnen sind. Einzelne Verursachungsbeiträge dürfen bei der Abwägung dann nicht summiert werden, wenn sie sich nur in demselben unfallursächlichen Umstand ausgewirkt haben. Das Fahren eines Kfz ohne die erforderliche Fahrerlaubnis ist nur dann zu berücksichtigen, wenn feststeht, dass sich dieser Umstand in dem Unfall tatsächlich ausgewirkt hat. Ist dies zu verneinen, ist das Fehlen der Fahrerlaubnis für den Unfall nicht ursächlich und kann letztlich nicht für die Schadensabwägung herangezogen werden.
Rz. 233
Die Beweisführung i.S. eines Vollbeweises kann auch mit Hilfe einer sog. Dashcam erfolgen. Insoweit ist höchstrichterlich entschieden, dass die permanente und anlasslose Aufzeichnung des Verkehrsgeschehens zwar mit den datenschutzrechtlichen Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes nicht vereinbar ist. Dies schließt indessen die Beweisverwertung nicht aus. Vielmehr ist die Verwertung von Dashcam-Aufzeichnungen, die ein Unfallbeteiligter vom Unfallgeschehen gefertigt hat, als Beweismittel im Unfallhaftpflichtprozes...