Rz. 37

Verfügt der Vorerbe unentgeltlich über Nachlassgegenstände, so mindert sich der Nachlasswert. § 2113 Abs. 2 BGB berücksichtigt daher auf Kosten der Verkehrssicherheit das Interesse des Nacherben am Erhalt des Nachlasswertes dahingehend, dass unentgeltliche Verfügungen, die der Nacherbe nicht genehmigt, unwirksam sind, was auch vom Erblasser nicht durch Befreiung umgangen werden kann. Ausgenommen hiervon sind lediglich – wie in den anderen gesetzlich normierten Fällen – die Pflicht- und Anstandsschenkungen.[51] § 2113 Abs. 2 BGB bezieht sich auf § 2113 Abs. 1 BGB, sodass die unentgeltliche Verfügung das Nacherbenrecht beeinträchtigen muss. Dies ist z.B. dann nicht der Fall, wenn die unentgeltliche Weggabe eines kostenträchtigen Nachlassgegenstandes der ordnungsgemäßen Verwaltung entspricht oder wenn auf eine wertlose Forderung verzichtet wird. Die Beeinträchtigung des Nacherben ist bei der Frage der Unentgeltlichkeit wirtschaftlich zu betrachten. Unentgeltlich sind daher bereits gemischte Schenkungen, so wie alle anderen teilweise unentgeltlichen Verfügungen. Diese sind in vollem Umfang unwirksam. Der Nacherbe hat nicht nur einen Anspruch auf Wertdifferenz, das entsprechende Rechtsgeschäft ist rückabzuwickeln. Der Erwerber muss den Herausgabeanspruch Zug um Zug gegen Rückerstattung der Gegenleistung erfüllen.[52]

 

Rz. 38

Eine Besonderheit besteht bei der Verfügung über Grundstücke, die mit einem Nacherbenvermerk versehen sind. Der Vorerbe muss gegenüber dem Grundbuchamt den Nachweis der Entgeltlichkeit erbringen. Diesen Nachweis muss er bei fehlender Offenkundigkeit grundsätzlich in der Form des § 29 Abs. 1 S. 2 GBO durch öffentliche Urkunde erbringen. Hierbei gewährt die Rechtsprechung bei Vorlage von notariellen Verträgen Erleichterungen, wenn in diesen Verträgen die Entgeltlichkeit des Geschäfts erklärt wird.[53] Zwar ist das Grundbuchamt nicht zu Amtsermittlungen verpflichtet, muss jedoch Umständen, die Zweifel an der Entgeltlichkeit begründen, nachgehen. Vor der Löschung des Nacherbenvermerks ist der Nacherbe stets anzuhören. Dieser kann den Nachweis der Entgeltlichkeit durch eigene beglaubigte Erklärung zugunsten des Vorerben erbringen.

 

Rz. 39

Eine Befreiung von dieser Beschränkung durch den Erblasser ist nicht möglich. Zwar gesteht die h.M. in der Literatur dem Erblasser zu, den Nacherben durch Vermächtnis zu verpflichten, einzelnen Schenkungen vorab zuzustimmen. Diese Möglichkeit ist jedoch dahingehend einzuschränken, dass dies nur für einzelne Gegenstände in beschränktem Umfang möglich ist. Eine generelle Befreiung durch Vermächtnis stellt ansonsten eine Umgehung des § 2113 Abs. 2 BGB dar und ist unwirksam.[54] Der Nacherbe kann jedoch aus freien Stücken gegenüber dem Grundbuchamt die Zustimmung zur Löschung des Nacherbenvermerks erteilen, sodass ein gutgläubiger Erwerb ohne Einfluss auf das Nacherbenrecht selbst möglich ist. Dem Grundbuchamt steht keine Prüfungskompetenz zu, ob das Nacherbenrecht tangiert ist oder nicht.[55]

[51] Vgl. z.B. §§ 1641, 1804, 2205, 2230 BGB.
[52] BGH FamRZ 1990, 1344.
[53] Damrau/Tanck/Bothe, PK Erbrecht, § 2113 Rn 22.
[54] Damrau/Tanck/Bothe, PK Erbrecht, § 2138 Rn 6.
[55] OLG Karlsruhe ZEV 2022, 539; Kollmeyer, NJW 2022, 3543.

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