Rz. 96
Die Verfahrensgebühr entsteht auch in der 2. Instanz für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Entgegennahme von Informationen. Sie ist bereits (in voller Höhe) verdient, wenn der Anwalt fristwahrend Berufung einlegt, ohne dabei zugleich den Antrag zu stellen. Sie liegt gem. Nr. 3200 VV bei 1,6.
Nach Nr. 3201 VV ermäßigt sich die Gebühr Nr. 3200 VV bei vorzeitiger Beendigung des Auftrags oder eingeschränkter Tätigkeit des Anwalts auf 1,1. Wann eine vorzeitige Beendigung in diesem Sinne vorliegt, ist in Nr. 3201 Nrn. 1 und 2 VV beschrieben. Eine vorzeitige Beendigung i.d.S. liegt vor, wenn der Auftrag endet, bevor der Rechtsanwalt das Rechtsmittel eingelegt oder einen Schriftsatz mit Sachanträgen, Sachvortrag, der Zurücknahme der Klage oder des Rechtsmittels eingereicht oder bevor er für seine Partei einen gerichtlichen Termin wahrgenommen hat. Eine vorzeitige Beendigung liegt außerdem vor, soweit Verhandlungen vor Gericht zur Einigung der Parteien oder der Beteiligten oder mit Dritten über in diesem Verfahren nicht rechtshängige Ansprüche geführt werden; der Verhandlung über solche Ansprüche steht es gleich, wenn beantragt ist, eine Einigung zu Protokoll zu nehmen oder das Zustandekommen einer Einigung festzustellen (§ 278 Abs. 6 ZPO).
Soweit im letztgenannten Fall der sich nach § 15 Abs. 3 RVG ergebende Gesamtbetrag der Verfahrensgebühren die Gebühr Nr. 3200 VV übersteigt, wird der übersteigende Betrag auf eine Verfahrensgebühr angerechnet, die wegen desselben Gegenstands in einer anderen Angelegenheit entsteht, Nr. 3201 a.E. VV.
Ebenfalls angerechnet werden können je nach Sachlage z.B. eine vorangegangene Beratung, die Geschäftsgebühr nach Vorb. 3 Abs. 4 VV, die Prüfungsgebühr für die Prüfung der Erfolgsaussichten der Berufung gem. Nr. 2100 VV oder die Verfahrensgebühr nach Zurückverweisung gem. Vorb. 3 Abs. 6 VV.
Rz. 97
Wie auch in der 1. Instanz erhöht sich die Verfahrensgebühr nach Nr. 1008 VV für jeden weiteren Auftraggeber um 0,3, jedoch maximal um 2,0 (siehe hierzu Rdn 63). Insgesamt beträgt die Verfahrensgebühr bei der Vertretung von zwei Auftraggebern im Berufungsverfahren also (1,6 + 0,3 =) 1,9; sie kann aber auch bei mehr als sieben Auftraggebern nie höher sein als insgesamt (1,6 + 2,0 =) 3,6.
Rz. 98
Beispiel
Acht Ärzte aus einer Ärztegemeinschaft werden von einem bei ihnen angestellten Kollegen auf Zahlung einer Prämie von 5.000 EUR brutto verklagt. Der Kollege verklagt jeden persönlich in einem Verfahren und nimmt sie als Gesamtschuldner in Anspruch. Für das Berufungsverfahren beauftragt die Ärztegemeinschaft einen Anwalt.
Eine 1,6 Verfahrensgebühr beträgt 534,40 EUR (334 EUR × 1,6 Gebühren). Diese Verfahrensgebühr erhöht sich für den zweiten Auftraggeber um 0,3, also um 100,20 EUR. Für den dritten bis achten Auftraggeber, also für die anderen sechs Auftraggeber, erhöht sich die Verfahrensgebühr ebenso. Die insgesamt sieben Erhöhungen würden jedoch zusammen 2,1 und damit mehr als die Obergrenze von 2,0 betragen. Insgesamt beträgt die Verfahrensgebühr daher "nur" 1.202,40 EUR (334 EUR × 3,6 Gebühren).