Rz. 76
Die Einigungsgebühr ist eine Wertgebühr gem. § 13 RVG, die grundsätzlich in jeder Angelegenheit, d.h. auch bei außergerichtlicher Tätigkeit anfallen kann und die in Nr. 1000 VV geregelt ist. Sie kann nach der durch das Kostenänderungsgesetz 2021 geänderten, klarstellenden Vorbemerkung 1 auch neben einer Gebühr für die Beratung nach § 34 RVG entstehen, nicht aber neben einer Gebühr für die Ausarbeitung eines schriftlichen Gutachtens oder für die Tätigkeit als Mediator.
Die Einigungsgebühr entsteht gem. Abs. 1 der Anmerkung zu Nr. 1000 VV für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den 1.) der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird oder 2.) die Erfüllung des Anspruchs bei gleichzeitigem vorläufigem Verzicht auf die gerichtliche Geltendmachung und, wenn bereits ein zur Zwangsvollstreckung geeigneter Titel vorliegt, bei gleichzeitigem vorläufigem Verzicht auf Vollstreckungsmaßnahmen geregelt wird (Zahlungsvereinbarung).
Die Gebühr entsteht nicht, wenn sich der Vertrag ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht beschränkt, d.h. es ist ein – wenn auch nur geringes und ggf. auch nur aus Sicht der Parteien bestehendes – Nachgeben erforderlich. Dadurch wird verhindert, dass die Einigungsgebühr durch bloße Erfüllung des Anspruchs oder durch bloßen Verzicht auf Weiterverfolgung ausgelöst wird.
Die Einigung muss in der jeweiligen Angelegenheit erfolgen. Wenn in einem Verfahren ein anderweitig rechtshängiger Anspruch durch Vergleich miterledigt wird, entsteht in dem anderen Verfahren hierfür keine Einigungsgebühr (und – nach umstrittener Auffassung – auch keine Terminsgebühr).
Rz. 77
Der Anwalt erhält für seine Mitwirkung an einer im Rahmen eines erstinstanzlichen Klageverfahrens erzielten Einigung nach Nr. 1000, 1003 VV RVG eine Einigungsgebühr in Höhe von 1,0; dies gilt auch, wenn die Einigung selbst außergerichtlich erfolgt. Nur dann, wenn kein anderes gerichtliches Verfahren als ein selbstständiges Beweisverfahren über den Gegenstand der Einigung anhängig ist, liegt die Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV bei 1,5.
Die Reduzierung greift auch dann, wenn ein Verfahren über die Prozesskostenhilfe anhängig ist, soweit nicht lediglich Prozesskostenhilfe für die gerichtliche Protokollierung des Vergleichs beantragt wird oder sich die Beiordnung auf den Abschluss eines Vertrags i.S.d. Nr. 1000 VV erstreckt, Anmerkung zu Nr. 1003 Abs. 1 VV. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen Vergleich allein führt also nicht dazu, dass dem Rechtsanwalt statt einer 1,5 nur eine 1,0 Einigungsgebühr zusteht.
Rz. 78
Der Anwalt erhält die Einigungsgebühr außerdem auch für die Mitwirkung bei Vertragsverhandlungen, es sei denn, dass seine Mitwirkung für den Abschluss des Vertrags nicht (mit)ursächlich war, Abs. 2 der Anmerkung zu Nr. 1000 VV. Aus diesem Wortlaut ("es sei denn") ergibt sich, dass der Mandant als Gebührenschuldner darlegen und beweisen muss, dass die Mitwirkung des Rechtsanwalts für den Vertragsabschluss nicht ursächlich gewesen ist; die Ursächlichkeit wird also zunächst vermutet.
Eine Mitwirkung in diesem Sinne setzt allerdings nicht voraus, dass der Rechtsanwalt die Verhandlungen mit der Gegenpartei höchstpersönlich und die ganze Zeit geführt hat oder er beim Abschluss der Einigung persönlich überhaupt dabei war. Vielmehr genügt es für die Entstehung der Einigungsgebühr, wenn der Rechtsanwalt irgendwelche Bemühungen mit der Zielrichtung eines Vertragsabschlusses vorgenommen hat. Dies ist z.B. anzunehmen, wenn der Anwalt einen Einigungsvorschlag der Gegenseite geprüft und begutachtet und den Mandanten dazu rechtlich beraten hat. Die Mitwirkung muss für die Einigung also nur (aber zumindest auch) mitursächlich gewesen sein, darf also nicht hinweggedacht werden können, ohne dass der Erfolg entfiele.
Rz. 79
Der Anwalt muss beweisen, dass sein Mandant mit dem Vergleich einverstanden ist. Dies gilt nur dann nicht, wenn der Vergleich die einzig ersichtliche Möglichkeit ist, einen Vermögensschaden vom Mandanten abzuwenden. Stellt sich der Vergleichsabschluss in der konkreten Prozesssituation als in jeder Hinsicht günstig dar und handelt es sich dabei im Grunde um die einzig vernünftige und wirtschaftlich sinnvolle Möglichkeit, den Prozess zu einem günstigen Ausgang für den Mandanten zu bringen, bleibt dem Mandanten kein Entscheidungsspielraum. In diesem Fall wäre sein Einverständnis eine reine Förmelei.
Rz. 80
Praxishinweis
Die Mehrzahl der arbeitsgerichtlichen Verfahren wird durch einen Vergleich beendet, da es regelmäßig keinen Sinn macht, an einem belasteten Arbeitsverhältnis festzuhalten. Daher sollte schon bei der Mandatsannahme mit dem Mandanten besprochen werden, welche Ansprüche geltend gemacht werden und in welchem Bereich eine Einigung liegen kann. Diese Absprache sollte der Anwalt unbedingt dokumentieren, damit er sie später erforderlichenfalls beweisen kann.
Da die Modalitäten eines Vergleichs regelmäßig du...