Rz. 312

Für die Vernehmung besonders schutzbedürftiger Zeugen wurde die Möglichkeit geschaffen, diese getrennt von den Anwesenheitsberechtigten zu vernehmen, § 247a StPO. Die Vernehmung wird in Bild und Ton (Videokonferenz) übertragen.[146] Die Vorschrift steht gleichrangig neben den Alternativen Ausschluss des Angeklagten sowie Ausschluss der Öffentlichkeit. Diese Form der Vernehmung soll insbesondere kindliche Verletzte vor psychischen Belastungen bewahren, die vermutet werden, wenn diese in Anwesenheit aller Verfahrensbeteiligten vernommen werden, und gleichzeitig unbefangenere Aussagen von Zeugen ermöglichen. Außer dem besonders schutzbedürftigen Zeugen und einem etwaigen (anwaltlichen) Beistand oder der psychosozialen Prozessbegleitung gem. § 406g StPO nehmen alle Verfahrensbeteiligten im Gerichtssaal an der Vernehmung per Videosimultanübertragung aus dem Raum, in dem sich der Zeuge befindet, teil, während sich der Zeuge zeitgleich in einem anderen Raum aufhält und an der Videokonferenz in der Weise teilnimmt, dass für ihn Bild und Ton aus dem Gerichtssaal übertragen werden.[147]

Gem. § 247a Abs. 2 StPO erstreckt sich der Anwendungsbereich auch auf die Vernehmung des Sachverständigen, sofern es nicht um die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder die Anordnung von Sicherungsverwahrung gem. § 246a StPO geht.

Gemäß § 255a Abs. 1 StPO gelten die §§ 251, 252, 253 und 255 StPO für die Vorführung der Videoaufzeichnung entsprechend. Die Vernehmung eines Zeugen unter 18 Jahren kann gem. § 255a Abs. 2 StPO in den dort genannten Verfahren durch die Videoaufzeichnung der früheren richterlichen Vernehmung ersetzt werden. Voraussetzung hierfür aber ist, dass der Angeklagte und sein Verteidiger Gelegenheit hatten, an dieser Vernehmung mitzuwirken, und der Zeuge einer vernehmungsersetzenden Vorführung der Aufzeichnung in der Hauptverhandlung unmittelbar nach der aufgezeichneten Vernehmung nicht widersprochen hat. Entsprechendes gilt für den Verletzten in den dort genannten Verfahren, sofern dieser bei Tatbegehung unter 18 Jahren war oder eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung vorliegt. Eine ergänzende Vernehmung des Zeugen bzw. Verletzten bleibt allerdings stets zulässig.

[146] Weiterführend Peter, 1x1 der Hauptverhandlung, S. 238 ff.; Brüssow u.a./Gatzweiler/Mehle, Strafverteidigung in der Praxis, § 9 Rn 321 ff.
[147] Vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, § 247a StPO Rn 1, 10; Karlsruher Kommentar-Diemer, § 247a StPO Rn 1; Peter, 1x1 der Hauptverhandlung, S. 235 ff.; HK-StPO/Julius, § 247a Rn 3.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?