Fabian Triesch, Helmut Beckmann
Rz. 29
Wurde eine Kündigung ausgesprochen, so wird im Rahmen eines Kündigungsschutzmandats regelmäßig im Ergebnis im Zugang der Kündigungserklärung der Eintritt eines Rechtsschutzfalls gesehen werden, weil hier gewöhnlich die Wirksamkeit der Kündigung vom Versicherten bestritten, mithin insoweit dem Arbeitgeber ein Rechtsverstoß vorgeworfen wird, und darauf dann die Interessenwahrnehmung gestützt wird.
Verdeutlichend ist anzumerken, dass nach den Grundsätzen der Dreisäulentheorie die bloße Tatsache einer Kündigung für sich genommen noch keinen Rechtsschutzfall darstellen würde. Wird nämlich von gesetzlichen oder vertraglichen Rechten – insbesondere von Gestaltungsrechten, wie etwa die Kündigung eines Vertragsverhältnisses – Gebrauch gemacht, so liegt darin kein "automatischer" Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften. Auch hier bedarf es (mit Blick auf die zweite Säule der Dreisäulentheorie) immer noch eines wenigstens vom Versicherungsnehmer behaupteten Verstoßes gegen Rechtspflichten oder Vorschriften, z.B., dass Fristen nicht gewahrt worden sein sollen oder aber Sozialwidrigkeit vorläge, auf die dann die Interessenwahrnehmung gestützt wird. Auf die Stichhaltigkeit des Vorwurfs oder aber die Beweismöglichkeiten kommt es bei der Prüfung, ob ein Rechtsschutzfall gegeben ist, nicht an. Dies ist vielmehr eine Frage der Erfolgsaussichten.
Rz. 30
Die Dreisäulentheorie kann bei gleich gelagertem Lebenssachverhalt zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, je nachdem, ob der Versicherungsnehmer Arbeitgeber oder Arbeitnehmer ist. Bei dem Arbeitgeber als Versichertem ist, zumal wenn es sich um eine nicht betriebsbedingte Kündigung handelt, nach der Dreisäulentheorie darauf zu achten, auf welche (behaupteten) Gründe die Kündigung gestützt wird.
So beziehen sich – insbesondere bei einer verhaltensbedingten Kündigung – die Kündigungsgründe in der Regel auf (einen oder mehrere) bestimmte Verstöße gegen arbeitsvertragliche Pflichten des Arbeitnehmers. Auch hier ist zu beachten: Auf die Stichhaltigkeit des Vorwurfs oder aber die Beweismöglichkeiten kommt es bei der Prüfung, ob ein Rechtsschutzfall gegeben ist, nicht an.
Nicht selten waren diese Verstöße bereits Gegenstand einer früheren Abmahnung. Solche Rechtsverstöße stellen ihrerseits häufig weitere Rechtsschutzfälle i.S.d. § 4 Abs. 1 Buchst. c ARB 2010 (2.4.5 ARB 2012) dar. Auf welchen dieser verschiedenen Rechtsschutzfälle im Hinblick auf die zeitliche Abgrenzung des Versicherungsschutzes abzustellen ist, bestimmt sich nach § 4 Abs. 2 S. 2 ARB 2010 (2.4.5 ARB 2012). Danach ist, bei mehreren für die rechtliche Interessenwahrnehmung ursächlichen Rechtsschutzfällen, der erste entscheidend.
Liegt also der erste tatsächliche oder angebliche Verstoß zeitlich vor dem Ablauf der Wartezeit, so besteht wegen Vorvertraglichkeit kein Versicherungsschutz – auch wenn die Kündigung selbst in den geschützten Zeitraum des betreffenden Rechtsschutzversicherungsvertrags fällt. Es ist aber zu beachten, dass nach § 4 Abs. 2 ARB 2010 solche Rechtsschutzfälle außer Betracht bleiben müssen, die ein Jahr und länger vor Versicherungsbeginn liegen. Die ARB 2012 enthalten in 2.4.5. eine derartige Einschränkung nicht. Danach kann dem Wortlaut nach jeder in der Vergangenheit liegende Sachverhalt herangezogen werden.
Ist der Versicherte Arbeitnehmer, so wird sein Sachvortrag regelmäßig der sein, dass es für die ausgesprochene Kündigung keine nach Vertrag oder Gesetz statthaften Gründe gäbe. Dies ist scheinbar "der" objektive Tatsachenkern, auf den er im Sinne des BGH seinen Anspruch stützt. Damit käme es stets auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung an. Daraus aber zu folgern, dass es zwingend immer nur darauf ankäme, ist zu kurz gedacht. Denn wenn es z.B. um eine verhaltensbedingte Kündigung mit vorherigen Abmahnungen geht, kann behaupteter Tatsachenkern zugleich die Aussage sein, dass die abgemahnten Vorfälle – so sie denn zeitlich überhaupt zu berücksichtigen sind – sich überhaupt nicht oder so nicht zugetragen haben. Dann können die Abmahnungen nach der Behauptung des Versicherten ebenfalls Rechtsverstöße des Arbeitgebers darstellen, auf deren Rechtswidrigkeit er die Rechtswidrigkeit der Kündigung und damit den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses stützt. Letztlich kommt es hier daher genau auf die Betrachtung des jeweiligen Einzelfalls an.
Rz. 31
Handelt es sich um gleichartige, sich wiederholende Verstöße, die zur Kündigung geführt haben, bilden diese einen einheitlichen "Dauerverstoß", also einen Rechtsschutzfall, der sich über einen Zeitraum erstreckt. Hier ist gem. § 4 Abs. 2 S. 1 ARB 2010 (2.4.5 ARB 2012) der Beginn des Zeitraums, in welchem sich die betreffenden Verstöße ereignet haben, maßgeblich.
Rz. 32
Bei einer Verdachtskündigung wird zwar die zugrunde liegende Verfehlung des Arbeitnehmers nicht mit Bestimmtheit behauptet, weil sie vom Arbeitgeber nicht mit letzter Sicherheit bewiesen werden kann.
Dennoch ist auch hier jedenfalls beim Arbeitgebe...