A. Allgemein
Rz. 1
Hinweis
Zur Konkurrenz von Verkehrsordnungswidrigkeiten siehe oben, § 25 Rdn 24 ff.
Ob mehrere vom Täter begangene Verkehrsstraftaten tateinheitlich zusammen treffen mit der Folge, dass gem. § 52 StGB auf eine Strafe (und auch nur einen Punkteintrag in Flensburg) zu erkennen ist oder tatmehrheitlich, mit der Folge, dass gem. §§ 53, 54 StGB Einzelstrafen festzusetzen sind und aus ihnen eine Gesamtstrafe zu bilden ist, hängt nach diesen Vorschriften davon ab, ob sie durch eine Handlung (im natürlichen oder rechtlichen Sinne) begangen worden sind oder nicht.
Davon zu trennen ist die Frage, ob mehrere Tathandlungen eine Tat im prozessualen Sinne gem. § 264 StPO sind, was vor allem für die Beurteilung, ob Strafklageverbrauch (siehe hierzu § 25 Rdn 22 ff.) vorliegt, von Bedeutung ist.
B. § 316 StGB
I. Dauerstraftat
Rz. 2
§ 316 StGB ist eine Dauerstraftat, die mit Fahrtantritt beginnt und erst endet, wenn die Fahrt beendet ist (BGH VRS 49, 177).
II. Fahrtunterbrechung
Rz. 3
Wird die Fahrt so unterbrochen, dass es eines neuen Willensentschlusses zur Weiterfahrt bedarf, ist Tatmehrheit gegeben (OLG Hamm zfs 2008, 593). Das gilt auch im Falle einer kurz (fünf bis zehn Minuten) dauernden Fahrtunterbrechung, wenn der Täter von Anfang an vorhatte, seine Fahrt zu Ende zu führen. Das gilt vor allem dann, wenn er während der Unterbrechung sein Kfz verlässt (AG Lüdinghausen NZV 2007, 485).
III. Von Anfang an so geplant
Rz. 4
War die Fahrt dagegen in ihrem Geschehensablauf von Anfang an so beabsichtigt, liegt eine einheitliche Handlung im Rechtssinne und damit nur eine einzige Tat vor (BGH VRS 47, 178).
IV. Konkurrenz zur Straßenverkehrsgefährdung
Rz. 5
Die Dauerstraftat "Alkoholfahrt" tritt hinter einer gleichzeitig begangenen Straßenverkehrsgefährdung (§ 315c Abs. 1 StGB) zurück (BGHSt 23, 143).
V. Konkurrenz zur Unfallflucht
Rz. 6
Zu einer Unfallflucht steht § 316 StGB in Realkonkurrenz, wobei die Unfallflucht idealiter mit einer erneuten Trunkenheitsfahrt konkurriert (BGHSt 13, 141; 26, 141, 144; NStZ 1983, 87; OLG Hamm StV 1984, 15).
Begeht der Täter allerdings im Rahmen einer Fluchtfahrt – auch mehrfach – Unfallflucht, so besteht zwischen diesen Verstößen und dem Delikt der Straßenverkehrsgefährdung Tateinheit (BGH NZV 2001, 264; BGH DAR 2018, 90).
Rz. 7
Achtung: Ne bis in idem
Obwohl Realkonkurrenz gegeben ist, handelt es sich um eine prozessuale Tat (BGHSt 23, 141). Wird also z.B. die Unfallflucht nach § 153a StPO eingestellt, kann auch die Trunkenheitsfahrt nicht mehr abgeurteilt werden.
Zur Konkurrenz einer Unfallflucht mit sonstigen Straftaten siehe § 45 Rdn 12.
C. § 315c StGB
I. Mehrere Gefährdungen – eine Tat
Rz. 8
Führt der Fahrunsichere die Fahrt in dem von vornherein beabsichtigten Umfang durch, stellt das Fahren unter Alkoholeinfluss zusammen mit der Gefährdung eine fahrlässige Tat nach § 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB dar (BGH VRS 47, 178; OLG Düsseldorf DAR 1999, 324).
Das gilt auch für mehrere während einer Fluchtfahrt begangene Straßenverkehrsgefährdungen (BGH NZV 2001, 264; Beschl. v. 7.9.2016 – 4 StR 221/16).
Begeht der Täter allerdings während einer trunkenheitsbedingten Straßenverkehrsgefährdung aufgrund eines neuen selbstständigen Willensentschlusses eine weitere Gefährdungstat, stehen beide Taten in Tatmehrheit zueinander (OLG Koblenz VRS 37, 190).
II. § 315c StGB und weitere damit zusammenhängende Verkehrsstraftaten
Rz. 9
Hinter einer fahrlässigen Körperverletzung oder fahrlässigen Tötung tritt die Straßenverkehrsgefährdung nicht zurück, es handelt sich vielmehr um zwei tateinheitlich begangene Taten (BGH NZV 1996, 457).
Rz. 10
Tateinheit ist auch dann anzunehmen, wenn die vorsätzlich begangene Straßenverkehrsgefährdung mit einer fahrlässigen Tötung und einem unerlaubten Entfernen vom Unfallort (OLG Düsseldorf DAR 1999, 324) oder einem Fahren ohne Fahrerlaubnis oder ohne Versicherungsschutz zusammentrifft (BGH bei Cierniak, DAR 2013, 677).
III. Sonderfall "Polizeiflucht"
Rz. 11
Vor der Polizei flüchtende Kraftfahrer begehen während einer solchen Fluchtfahrt meist mehrere Straftaten (z.B. §§ 315b, 316c, 142 StGB). Obwohl diese Taten eigentlich in Tatmehrheit zueinander stehen, behandelt die Rechtsprechung die Flucht als eine natürliche Handlungseinheit und damit als eine Tat i.S.d. § 52 StGB (BGH NStZ-RR 1997, 331; BGH, Beschl. v. 1.2.2017 – 4 StR 401/16). Das gilt jedoch nicht für vor der Flucht begangene Taten wie z.B. einen zuvor begangenen Diebstahl mit Waffen (BGH bei Paul DAR 2018, 662).
D. Vollrausch
Rz. 12
Hat der Täter in demselben Rauschzustand mehrere Taten begangen, liegt insgesamt nur ein Vergehen des § 323a StGB vor (BGH NZV 2001, 133).
E. Fahren ohne Fahrerlaubnis
Rz. 13
Fahren ohne Fahrerlaubnis und Trunkenheitsfahrt stehen in Tateinheit zu einander.
Ein Autodiebstahl und das anschließend begangene Fahren ohne Fahrerlaubnis stehen dann in Tateinheit, wenn die Wegnahme des Pkw durch das Wegfahren erfolgte (BGH, Beschl. v. 8.8.2006 – 4 StR 263/06). Das Gleiche gilt, wenn sich der Täter unmittelbar im Anschluss an eine Straftat, z.B. einem Einbruchsdiebstahl, mit einem Pkw vom Tatort entfernt (BGH bei Tolksdorf, DAR 1997, 172).
Im Übrigen endet die Dauerstraftat Fahren ohne Fahrerlaubnis regelmäßig erst mit Abschluss einer von vornherein für einen längeren Weg geplanten Fahrt und wird nicht durch kurze Unterbrechungen in selbstständige Taten aufgespalten...