Rz. 340

Verstöße gegen Wahlvorschriften können die Anfechtung begründen. Diese muss allerdings innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses beim ArbG eingereicht sein. Während des laufenden Anfechtungsverfahrens bleibt der Betriebsrat im Amt und führt in vollem Umfang die Geschäfte. Sein Amt endet erst dann, wenn die ArbGe die Wahl rechtskräftig für unwirksam erklärt haben.

 

Rz. 341

 

Hinweis

In der Praxis beschließen die Betriebsräte spätestens nach der Anhörung vor dem LAG, in dem die stattgebende Gestaltungsentscheidung angekündigt ist, ihren Rücktritt (dies ist mit absoluter Stimmenmehrheit möglich, vgl. § 13 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG). Dann führen sie die Geschäfte kraft ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift weiter (§ 22 BetrVG) und sind insb. zur Einsetzung eines Wahlvorstands für eine erneute Wahl befugt und verpflichtet. Die Weiterführung der Geschäfte endet entweder mit der Bekanntgabe des Wahlergebnisses des neu gewählten Betriebsrates oder mit Rechtskraft der Entscheidung über die Anfechtung – die Weiterführung kann natürlich nicht über die Amtszeit desjenigen Betriebsrats, dessen Wahl angefochten ist, hinausgehen. Der Eintritt der Rechtskraft kann durch Einlegung von Rechtsbeschwerde oder Nichtzulassungsbeschwerde zum BAG noch einige Zeit hinausgezögert werden. Das Risiko für den Prozessvertreter des Betriebsrats besteht in eindeutigen Fällen darin, für diese Nichtzulassungsbeschwerde keine Kostenerstattung vom Arbeitgeber zu erhalten. Mit Bekanntgabe des Wahlergebnisses des neu gewählten Betriebsrats entfällt dann das Rechtsschutzbedürfnis für die Fortsetzung des Wahlanfechtungsverfahrens mit der Folge, dass etwa eine eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde unzulässig wird (BAG v. 15.2.2012 – 7 ABN 59/11, juris) bzw. das Verfahren wegen Erledigung einzustellen ist (BAG v. 15.2.2012 – 7 ABN 74/11, juris).

 

Rz. 342

Anfechtungsberechtigt sind mindestens drei Wahlberechtigte, im Betrieb vertretene Gewerkschaften und der Arbeitgeber; maßgebend für die Anfechtungsberechtigung ist der Tag der Wahl (Fitting, § 19 Rn 29). Mindestens drei der Anfechtenden müssen diese Anfechtung bis zum Schluss der letzten Anhörung vor dem ArbG, LAG und ggf. BAG auch aufrechterhalten. Dagegen ist es unschädlich, wenn die Anfechtenden aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind, soweit sich unter den Anfechtenden noch wenigstens ein wahlberechtigter Arbeitnehmer befindet; sie müssen allerdings ihren Anfechtungsantrag weiterbetreiben (BAG v. 15.2.1989 – 7 ABR 9/88, juris; BAG v. 23.7.2014 – 7 ABR 23/12, juris, für die Anfechtung der Wahl der Schwerbehindertenvertretung). Nicht möglich ist es, dass die Anfechtung durch andere wahlberechtigte Arbeitnehmer anstelle von ausgeschiedenen Arbeitnehmern fortgeführt wird.

 

Rz. 343

Als Anfechtungsgründe kommen nur solche Verstöße in Betracht, die geeignet sind, das Wahlergebnis zu beeinflussen. Eine solche Beeinflussung muss nicht positiv feststehen. Nötig ist vielmehr umgekehrt für die Unerheblichkeit des Anfechtungsgrundes die Feststellung, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte (BAG v. 7.5.2008 – 7 ABR 17/07, juris). Die Kausalität fehlt, wenn bei einer hypothetischen Betrachtungsweise eine Wahl ohne den Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zwingend zu demselben Wahlergebnis geführt hätte (BAG v. 13.10.2004 – 7 ABR 5/04, juris; BAG v. 25.5.2005 – 7 ABR 39/04, juris; BAG 18.7.2012 – 7 ABR 21/11, juris; BAG 12.6.2013 – 7 ABR 77/11, juris). Es muss sich konkret feststellen lassen, dass auch bei Einhaltung der Wahlvorschriften kein anderes Wahlergebnis erzielt worden wäre; kann diese Feststellung nicht getroffen werden, bleibt es bei der Unwirksamkeit der Wahl (BAG v. 31.5.2000 – 7 ABR 78/98, juris; LAG Rheinland-Pfalz v. 8.11.2016 – 8 TaBV 22/15, juris).

 

Beispiel

Ist der Wahlvorstand in fehlerhafter Weise bestellt, ist wegen der von diesem zu treffenden Ermessensentscheidungen ebenfalls nicht auszuschließen, dass das Wahlergebnis hierdurch beeinflusst werden konnte (weniger weitgehend LAG Köln v. 2.8.2011 – 12 TaBV 12/11, juris: widerlegbare Vermutung hierfür).

 

Rz. 344

Wenn es um die Bewertung von Stimmzetteln und damit um die Sitzverteilung geht, können die ArbGe statt der Gestaltungsentscheidung, die Wahl für unwirksam zu erklären, das Wahlergebnis berichtigen (Fitting, § 19 Rn 27 f.).

 

Beispiele

Anfechtungsgründe können etwa sein:

Bestellung des Wahlvorstandes durch eine Betriebsversammlung, obwohl der Betriebsrat, dessen Neuwahl wegen des Ausscheidens von Betriebsratsmitgliedern erforderlich geworden war, noch im Amt war (LAG Köln v. 2.8.2011 – 12 TaBV 12/11, juris)
Nichterreichen der Mehrheit der Stimmen aller anwesenden wahlberechtigten Arbeitnehmer einer Betriebsversammlung durch ein Wahlvorstandsmitglied, weil dann keine ordnungsgemäße Besetzung des Wahlvorstands vorliegt (LAG München v. 16.6.2008 – 11 TaBV 50/08, juris; das LAG geht allerdings zu weit, in diesem Fall von zu er...

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