Joachim Vetter, Dr. iur. Martin Nebeling
Rz. 580
Der Arbeitgeber darf das Arbeitsentgelt während der Arbeitsbefreiung nach § 37 Abs. 2 BetrVG nicht mindern. Es gilt das Lohnausfallprinzip. Das Betriebsratsmitglied hat unter Anwendung einer hypothetischen Betrachtungsweise Anspruch auf Weiterzahlung des Arbeitsentgeltes so, als wenn es gearbeitet hätte (BAG v. 29.4.2015 – 7 AZR 123/13, juris: Zielerreichungsgrad bei umsatzabhängigem Jahresbonus ist ggf. nach § 287 Abs. 2 ZPO zu schätzen; BAG v. 17.2.1993 – 7 AZR 373/92, juris; BAG v. 16.8.1995 – 7 AZR 1001/94, juris). I.R.d. Lohnausfallprinzips sind bei der Entgeltberechnung für Zeiten, in denen der Arbeitnehmer Betriebsratsarbeit geleistet hat, neben der Grundvergütung alle Zulagen und Zuschläge zu zahlen, insb. Zuschläge für Mehr-, Über-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit. Eine Zulage kann auch pauschaliert sein; allerdings muss sie sich in ihrer Höhe an dem Umfang der üblicherweise erbrachten zuschlagspflichtigen Tätigkeiten orientieren (BAG v. 29.8.2018 – 7 AZR 206/17, juris). Daher kann auch ein Anspruch auf Zahlung eines entsprechenden geldwerten Vorteils bestehen, wenn Vergleichspersonen eine Netzkarte der Bahn zur Verfügung gestellt wird, die sie auch privat nutzen dürfen (LAG Hamm, 17.2.2012 – 10 Sa 1479/11, juris). Für den Entgeltanspruch nach § 37 Abs. 2 BetrVG gelten die für arbeitsvertragliche und tarifliche Ansprüche bestehenden Ausschlussfristen (BAG v. 8.9.2010 – 7 AZR 513/09, juris).
Rz. 581
Hinweis
Das Betriebsratsmitglied hat allerdings keinen Anspruch auf Nachtarbeitszuschläge, wenn im Hinblick auf die Betriebsratstätigkeit einvernehmlich mit dem Arbeitgeber eine Verschiebung der Arbeitszeit stattfindet, um die Betriebsratstätigkeit besser verwirklichen zu können. Der Verlust des Nachtarbeitszuschlags beruht dann nicht auf der Freistellung, sondern auf der einvernehmlich vorgenommenen Verlegung der Arbeitszeit. Aus diesem Grund liegt auch keine Benachteiligung wegen Betriebsratstätigkeit vor (BAG v. 18.5.2016 – 7 AZR 401/14, juris).
Rz. 582
Ausgenommen sind nur solche Beträge, die dem Ersatz tatsächlich entstandener Mehraufwendungen dienen wie z.B. Wegegelder, Auslösungen, Beköstigungszulagen, Aufwandsentschädigungen (BAG v. 27.7.1994 – 7 AZR 81/94, juris; BAG v. 15.7.1992 – 7 AZR 491/91, juris), nicht aber die pauschale Fahrtentschädigung für Lokomotivführer und Zugbegleiter (BAG v. 5.4.2000 – 7 AZR 213/99, juris). Allerdings sind derartige Beträge nur als Bruttobetrag geschuldet. Das Betriebsratsmitglied hat keinen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber die Nettodifferenz erstattet, die sich daraus ergibt, dass Zulagen abgabenpflichtig werden oder versteuert werden müssen, die im Fall tatsächlicher Arbeitsleistung steuer- oder sozialversicherungsfrei gewesen wären (BAG v. 15.1.1997 – 7 AZR 873/95, juris; a.A. mit Hinweis auf Benachteiligung wegen der Betriebsratstätigkeit LAG Hessen v. 10.3.2014 – 16 TaBV 197/13, vom BAG aus formalen Gründen aufgehoben, weil die Frage kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis betrifft, BAG v. 24.2.2016 – 7 ABR 23/14, juris). Zum Bestandteil des fortzuzahlenden Arbeitsentgeltes nach § 37 Abs. 2 BetrVG gehört auch die Möglichkeit, einen im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses überlassenen Dienstwagen für private Fahrten zu nutzen (BAG v. 23.6.2004 – 7 AZR 514/03, juris; zum Ganzen auch Joussen, NZA 2018, 139).
Rz. 583
Umgekehrt kann bei Kurzarbeit die Anwendung des Lohnausfallprinzips zu einer entsprechenden Lohnkürzung führen (BAG v. 23.4.1974 – 1 AZR 139/73, juris; BAG v. 12.10.1994 – 7 AZR 398/93, juris; a.A. für freigestellte Betriebsratsmitglieder Löwisch/Holler, BetrVG, § 38 Rn 38). Da nach dem Konjunkturpaket II Kurzarbeit von der Agentur für Arbeit nicht mehr für einzelne Arbeitnehmer oder Beschäftigungsgruppen genehmigt werden muss, sollten in der Betriebsvereinbarung über Kurzarbeit auch die Betriebsratsmitglieder einbezogen werden.
Rz. 584
Nach § 37 Abs. 4 BetrVG darf das Arbeitsentgelt der Betriebsratsmitglieder einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen sein als dasjenige vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Vergleichbar sind hierbei solche Arbeitnehmer, die im Zeitpunkt der Amtsübernahme ähnliche, im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeiten ausgeführt haben wie der Amtsträger und dafür in gleicher Weise wie dieser fachlich und persönlich qualifiziert waren (BAG v. 18.1.2017 – 7 AZR 205/15, juris, hält es für zulässig, konkretisierende betriebliche Vereinbarungen etwa zum Verfahren der Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmer zu treffen). Die Übertragung höherwertiger Tätigkeiten ist nur dann betriebsüblich, wenn diese dem Betriebsratsmitglied nach den betrieblichen Gepflogenheiten hätten übertragen werden müssen oder wenn die Mehrzahl der vergleichbaren Arbeitnehmer einen solchen Aufstieg erreicht hat (BAG v. 20.1.2021 – 7 AZR 52/20, juris).
Rz. 585
Geht es darum, eine betriebsübliche Beförderungspraxis als Voraussetzung einer Gehaltssteigerung ...