Entscheidungsstichwort (Thema)

Geltung des Lohnausfallprinzips bei Freizeitausgleich für aufgewendete Betriebsratstätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Es entspricht den Grundsätzen des Betriebsverfassungsrechts, wenn der Lohnausfall des Betriebsratsmitglieds während der Arbeitsbefreiung nach § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG unter Anwendung des Lohnausfallprinzips, also einschließlich der Zulagen und Zuschläge, die bei Erbringung der Arbeitsleistung verdient worden wären, kompensiert wird. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass das Betriebsratsmitglied wegen der Übernahme des Betriebsratsamtes in finanzieller Hinsicht nicht benachteiligt wird.

 

Normenkette

BGB § 611; BetrVG § 37 Abs. 3; BGB § 611 Abs. 1; BetrVG § 37 Abs. 3 S. 1; MTV-Metall- und Elektroindustrie Hamburg § 7

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 28.01.2015; Aktenzeichen 24 Ca 219/14)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 28. Januar 2015 - Az. 24 Ca 219/14 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung in Anspruch. Die Parteien streiten darüber, wie Freizeitausgleich für aufgewendete Betriebsratstätigkeit zu vergüten ist.

Der Kläger ist bei der Beklagten als Servicetechniker mit einem Stundenlohn ohne Zuschläge von € 28,46 brutto beschäftigt. Die durchschnittlich erzielte Monatsvergütung beträgt € 3.481,57 brutto.

Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie in Hamburg und Umgebung (im Weiteren: MTV) kraft Übernahmetarifvertrag zwischen der Beklagten und der IG Metall, Bezirksleitung Küste, vom 2. Januar 2013 Anwendung (siehe Ziff. II.1. und 2. i.V. mit Anlage 1 Nr. 1 des Übernahmetarifvertrags vom 2. Januar 2013, Anlage B 3, Bl. 25 ff. A.). Der MTV sieht Zuschläge für Sonntagsarbeit von 50% des Grundlohns (§ 7 1.1.e) und für unregelmäßige Nachtarbeit oder unregelmäßige Wechselschichtarbeit in der Nacht von 20 % (§ 7 1.1.d) vor. Bei der Beklagten erfolgen die Abrechnungen über die Zuschläge jeweils zum Ende des Monats, der dem Abrechnungsmonat folgt.

Nach der Ausschlussfrist gemäß § 16 MTV sind Ansprüche auf Zuschläge aller Art innerhalb von 4 Wochen nach Aushändigung oder Zusendung der Entgeltabrechnung, bei der sie hätten abgerechnet werden müssen, schriftlich geltend zu machen (§ 16 Ziff. 1.1.a MTV). Nach Ablauf dieser Frist ist eine Geltendmachung von Ansprüchen ausgeschlossen (§ 16 Ziff. 1.2. MTV).

Der Kläger ist Mitarbeiter der sogen. Wochenendschicht bei der Beklagten, d.h. er arbeitet regelmäßig Freitag bis Sonntag und an gesetzlichen Feiertagen, dabei auch in der Nachtschicht. Die Bedingungen der Wochenend-Schichtarbeit sind bei der Beklagten in einer Betriebsvereinbarung geregelt (vgl. Anlage B 4, Bl. 34 ff. d. A.).

Der Kläger ist gewähltes Mitglied des Betriebsrats. Die Betriebsratssitzungen und sonstige erforderliche Betriebsratstätigkeit fallen nahezu ausschließlich außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit des Klägers an. Der Kläger erhielt für erforderliche Betriebsratstätigkeit in den Monaten Januar und Februar 2014 Freizeitausgleich in der Wochenendschicht. Dies erfolgte in der Weise, dass er in beiden Monaten von seiner gesamten dienstplanmäßigen Arbeitszeit mit Ausnahme der Arbeitszeit am Neujahrstag und am 28. Februar 2014 freigestellt wurde (vergleiche die Zeitnachweislisten für Januar 2014 - Anlage K1, Bl. 6f. d.A. und für Februar 2014 - Anlage K2, Bl. 8 f. d.A.). Die Freistellung betraf in beiden Monaten jeweils vier Sonntage mit Schichten von 10,83 Stunden Länge und zwei Sonnabend-Nachtschichten mit einer Schichtlänge von jeweils 9 Stunden.

Die Beklagte rechnete für die Sonntagsschichten und die Sonnabend-Nachtschichten keine Zuschläge ab und zahlte lediglich die Grundvergütung.

Wären die Sonntagszuschläge in Höhe von 50 % (§ 7 Ziffer 1.1e MTV) für die Sonntagsschichten und die Zuschläge für unregelmäßige Nachtarbeit oder unregelmäßige Wechselschichtarbeit in der Nacht in Höhe von 20 % (§ 7 Ziffer 1.1 d MTV) für die Sonnabend-Nachtschichten in den Monaten Januar und Februar 2014 abgerechnet worden, hätten sich für beide Monate Beträge in unstreitiger Höhe von jeweils € 718,86 brutto ergeben. Mit Schreiben vom 13. April 2014, der Beklagten am 16. April 2014 zugegangen, machte der Kläger die Zahlung der Zuschläge für die Monate Januar und Februar 2014 gegenüber der Beklagten geltend (vgl. Anlage K3, Bl. 10 Bl. d.A.). Mit seiner am 19. September 2014 eingegangenen Klage hat der Kläger diese Ansprüche weiterverfolgt.

Der Kläger hat vorgetragen, durch die Ausübung seiner Betriebsratstätigkeit dürfe keine Minderung seines Arbeitsentgelts eintreten. Es seien die Zuschläge fortzuzahlen, die er während der gewährten Arbeitsbefreiung hätte beanspruchen können. Die tarifvertragliche Ausschlussfrist für Zuschläge sei nicht einschlägig, weil es sich um die Fortzahlung von Arbeitsentgelt gemäß § 37 Abs. 3 BetrVG, d.h. um einen eigenständigen Anspruch handele.

Der Kläger hat bea...

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