Joachim Vetter, Dr. iur. Martin Nebeling
Rz. 138
Nach § 18 Abs. 1 BetrVG können der Betriebsrat, drei wahlberechtigte Arbeitnehmer oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft den Wahlvorstand durch das ArbG ersetzen lassen, wenn dieser seiner Pflicht zur unverzüglichen Einleitung der Wahl nicht nachkommt. In diesem Fall bestellt das ArbG einen anderen Wahlvorstand. Fehler bei der Bestellung des Wahlvorstandes – mit der Folge der Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl – können, soweit die Bestellung durch Betriebsratsbeschluss erfolgt ist, entsprechend § 19 BetrVG durch jedes Betriebsratsmitglied, aber auch durch die Gewerkschaft, drei wahlberechtigte Arbeitnehmer oder durch den Arbeitgeber gerichtlich geltend gemacht werden. In Betracht kommt eine einstweilige Verfügung auf Feststellung der Unwirksamkeit der Bestellung oder auf Amtsenthebung (z.B. weil die Zahl der erforderlichen Wahlvorstandsmitglieder weit überschritten ist, LAG Nürnberg v. 30.3.2006 – 6 TaBV 19/06, juris: 9 statt 3 Mitglieder; a.A. Ablehnung einer Feststellungsverfügung LAG Berlin-Brandenburg v. 17.3.2010 – 15 TaBVGa 34/10, juris; LAG Schleswig-Holstein v. 5.4.2012 – 4 TaBVGa 1/12, juris; LAG Hamm v. 6.9.2013 – 7 TaBVGa 7/13, juris). Ein Hauptsacheverfahren auf Einsetzung eines neuen Wahlvorstands, wodurch die ursprüngliche Bestellung automatisch erledigt wäre, wird im Hinblick auf den bis zur Rechtskraft im Hauptsacheverfahren benötigten Zeitraum kaum praktikabel sein.
Rz. 139
Sind allerdings zwei Wahlvorstände gebildet, die Betriebsratswahlen zumindest in Teilbereichen für dieselbe Belegschaft durchführen wollen, muss einem der beiden die weitere Tätigkeit untersagt werden können. Es erscheint dem Arbeitgeber als kaum zumutbar, die dann auftretenden Überschneidungen erst im Anfechtungsverfahren zu überprüfen. Ob dabei eine der Bestellungen nichtig ist (so LAG Hamm v. 16.5.2014 – 7 TaBVGa 17/14, juris beim Rechtsstreit zweier Wahlvorstände gegeneinander, allerdings nicht sehr klar, warum die eine oder andere Bestellung nichtig sein soll), kann dann dahinstehen. Zumindest muss es in diesem Fall möglich sein, einem der Wahlvorstände durch einstweilige Verfügung die Korrektur des Wahlbereichs im Wahlausschreiben (bei teilweiser Überschneidung) aufzugeben oder den Abbruch der Wahl anzuordnen.
Rz. 140
In Betracht kommen auch einstweilige Verfügungen, durch die dem Wahlvorstand bestimmte Handlungen untersagt oder aufgegeben werden können. So kann er etwa verpflichtet werden, den Wahlbereich einzuschränken oder das Wahlausschreiben mit einem anderen Inhalt (häufig: geringere Betriebsratsgröße) neu zu erlassen. Das ArbG wird die begehrte einstweilige Verfügung dann erlassen, wenn die begehrte Änderung nach Auffassung des Gerichtes bei der notwendigen summarischen Prüfung als überwiegend zutreffend erscheint. Würde man die Beteiligten auf die Anfechtung der Betriebsratswahl verweisen, bliebe ein zu Unrecht gewählter Betriebsrat über Monate oder Jahre hinweg unberechtigt im Amt. Der Arbeitgeber müsste sich im Überschneidungsbereich an zwei oder mehr Betriebsräte halten, die u.U. widersprechende Beschlüsse fassen würden. Dies ist den Beteiligten nicht zumutbar. Ob Wahlvorstände wirklich verpflichtet sind, auch nicht rechtskräftige Entscheidungen der Gerichte über den Wahlbereich nach § 18 Abs. 2 BetrVG zwingend zu berücksichtigen (so BAG v. 19.11.2003 – 7 ABR 25/03, juris Rn 19), erscheint als sehr fraglich (a.A. LAG Nürnberg v. 29.11.2022 – 1 TaBV 22/22, juris, für den Fall, dass der Beschl. des ArbG zu § 18 Abs. 2 BetrVG erst nach Erlass des Wahlausschreibens ergangen ist).