Joachim Vetter, Dr. iur. Martin Nebeling
a) Zeitablauf und Zweckerreichung
Rz. 1528
Die Beendigung der Betriebsvereinbarung ist aufgrund unterschiedlicher Umstände möglich. Dies sind zunächst Zeitablauf oder Zweckerreichung (falls die Vereinbarung zur Erreichung eines bestimmten Zweckes abgeschlossen wurde). Wird eine Betriebsvereinbarung aufgrund einer tariflichen Öffnungsklausel abgeschlossen, so ist sie zeitlich auf die Geltung des Tarifvertrages sowie ggf. dessen Nachwirkung beschränkt (Richardi/Picker, § 77 Rn 207 ff.).
b) Untergang des Betriebsrats
Rz. 1529
Das Ende der Amtszeit des Betriebsrates hat auf den Bestand der Betriebsvereinbarung keinen Einfluss (BAG v. 28.7.1981 – 1 ABR 79/79, juris). Auch der vorübergehende oder endgültige Wegfall des Betriebsrates lässt die bestehenden Betriebsvereinbarungen in ihrer normativen Wirkung unberührt. Die Tatsache, dass es dann kein handlungsfähiges Betriebsverfassungsorgan mehr gibt, sodass eine inhaltliche Änderung der Betriebsvereinbarung nicht infrage kommt, steht dem nicht entgegen. Der Arbeitgeber kann die normative Wirkung der Betriebsvereinbarung nämlich dadurch beenden, dass er einheitlich ggü. allen betroffenen Arbeitnehmern des Betriebes die Kündigung der Betriebsvereinbarung erklärt (BAG v. 18.9.2002 – 1 ABR 54/01, juris; weitere Nachweise bei GK/Kreutz, § 77 Rn 430.; bei Richardi/Picker, § 77 Rn 224 ff.; Fitting, § 77 BetrVG Rn 175 ff.). Auch im Fall der Kündigung ggü. den Arbeitnehmern entfaltet die Betriebsvereinbarung Nachwirkung, soweit sie erzwingbare Angelegenheiten geregelt hat – mit der Folge, dass der bestehende Zustand nur durch andere Abmachungen geändert werden kann.
c) Betriebsübergang
Rz. 1530
Der Wechsel des Betriebsinhabers allein ist schon deswegen ohne Bedeutung, weil dieser für sich gesehen den Betrieb und seine Strukturen unbehelligt lässt. Eine Transformation in Einzelarbeitsverhältnisse nach § 613a Abs. 1 S. 2 BGB findet in diesem Fall nur dann statt, wenn die übernommene Einheit vollständig aufgelöst wird. Wird ein Betriebsteil durch Betriebsübergang von einem neuen Rechtsträger übernommen und von diesem als eigenständiger Betrieb fortgeführt, gelten die Betriebsvereinbarungen mit normativer Wirkung weiter (BAG v. 25.1.2020 – 1 ABR 39/18, juris). Bleibt die übergehende Einheit, selbst wenn sie in einen Betrieb eingegliedert wird, selbstständig, gelten Betriebsvereinbarungen grundsätzlich kollektiv für die bisherige Einheit fort (Einzelheiten vgl. etwa GK/Kreutz, § 77 Rn 419 ff.).
d) Aufhebungsvereinbarung und Schriftform
Rz. 1531
Möglich ist weiter die Aufhebung durch die Betriebspartner; eine solche Aufhebungsvereinbarung bedarf nicht der Schriftform (anders BAG v. 27.6.1985 – 6 AZR 392/81. juris; Fitting, § 77 BetrVG Rn 143; offengelassen in BAG v. 20.11.1990 – 1 AZR 643/89, juris mit dem Hinweis auf die Formfreiheit der Kündigung; umfangreiche Nachweise bei GK/Kreutz, § 77 Rn 400).
Rz. 1532
Hinweis
Der Argumentation des BAG, die Regelungsabrede könne die Betriebsvereinbarung als "höherrangiges Recht" nicht ablösen (BAG v. 27.6.1985 – 6 AZR 392/81, juris), ist zumindest missverständlich. Die Regelungsabrede schafft kein Recht im Arbeitsverhältnis, kein Recht gegenüber den Arbeitnehmern. Eine normative Wirkung fehlt. Die Regelungsabrede ist auch keine "andere Abmachung" im Rechtssinn, die die Nachwirkung der Betriebsvereinbarung ausschließen könnte. Eine "Ablösung" der Betriebsvereinbarung durch die Regelungsabrede in dem Sinne, dass hierdurch Ansprüche im Arbeitsverhältnis abgeändert werden, scheidet daher in Fällen erzwingbarer Mitbestimmung aus – anders in Fällen, in denen die Betriebsvereinbarung keine Nachwirkung entfaltet; dann kann die Regelungsabrede die "Aufhebung" beinhalten. Im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat spricht nichts dagegen, die Aufhebung der Betriebsvereinbarung mit der Ausübung des Mitbestimmungsrechtes dergestalt zu verbinden, dass dem Arbeitgeber ermöglicht wird, in Ausübung des Direktionsrechtes oder durch Abmachungen mit den Arbeitnehmern andere Rechtswirkungen herbeizuführen. Dies ist bei kurzzeitigen Arbeitszeitverlegungen trotz bestehender Betriebsvereinbarung – etwa anlässlich eines besonderen Fußballspiels – in der Praxis auch sehr häufig der Fall (offengelassen auch zur Frage, ob eine Ablösung durch Regelungsabrede möglich ist, in BAG v. 22.3.1995 – 5 AZR 934/93, juris).
e) Anfechtung
Rz. 1533
Außerdem kann eine Betriebsvereinbarung auch angefochten werden aufgrund Irrtums, Täuschung oder Drohung. Wegen des Normcharakters der Vereinbarung wirkt eine solche Anfechtung ebenso wie die Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage nur ex nunc (hierzu Fitting, § 77 Rn 152).
f) Kündigung
Rz. 1534
Der wichtigste Fall der Beendigung der Betriebsvereinbarung ist – neben dem Abschluss einer neuen Betriebsvereinbarung, die die vorherige Betriebsvereinbarung unabhängig von Günstigkeit oder Ungünstigkeit als spätere Regelung ohne Weiteres ablöst (Einzelheiten vgl. bei GK/Kreutz, § 77 Rn 401 f.) – die Kündigung. Nach § 77 Abs. 5 BetrVG kann die Betriebsvereinbarung, soweit nicht anderes vereinbart wurde, mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden. Die Drei-Monats-Frist gilt in F...