Rz. 901

Die Erforderlichkeit ist dabei keine Ermessensfrage, sondern eine gerichtlich überprüfbare Rechtsfrage. Selbst wenn die Hinzuziehung eines Sachverständigen objektiv erforderlich ist, bedarf es zur Durchsetzung des Beratungsanspruches zunächst einer näheren Vereinbarung mit dem Arbeitgeber. Der Betriebsrat kann also nicht von sich aus, ohne dass er mit dem Arbeitgeber eine Absprache über die Person des Sachverständigen, über den Inhalt, die Kosten und den Zeitpunkt der Beratung getroffen hätte, einen Sachverständigen bestellen, wenn dessen Kosten vom Arbeitgeber getragen werden sollen. Diese Absprache mit dem Arbeitgeber muss vor der Bestellung des Sachverständigen erfolgt oder ggf. gerichtlich ersetzt worden sein. Eine nachträgliche gerichtliche Feststellung der Erforderlichkeit genügt nicht (BAG v. 19.4.1989 – 7 ABR 87/87, juris; BAG v. 25.7.1989 – 1 ABR 41/88, juris; BAG v. 26.2.1992 – 7 ABR 51/90, juris; a.A. DKW/Buschmann, § 80 Rn 155 m.w.N.).

 

Rz. 902

 

Hinweis

Verweigert der Arbeitgeber eine Vereinbarung über den Sachverständigen, muss der Betriebsrat auf Ersetzung der Zustimmung zum Angebot einer entsprechenden Vereinbarung klagen. Dieser Antrag muss Angaben zum Thema enthalten, zu dessen Klärung der Sachverständige hinzugezogen werden soll, und die Person des Sachverständigen bezeichnen (BAG v. 25.6.2014 – 7 ABR 70/12, juris). Der Betriebsrat soll nicht verpflichtet sein, vor Beauftragung eine Ausschreibung nach vergaberechtlichen Vorschriften durchzuführen (LAG Berlin-Brandenburg v. 9.3.2016 – 24 TaBV 1939/15, juris).

 

Rz. 903

Eine Ausnahme gilt nach § 111 S. 2 BetrVG i.R.d. Unterrichtung des Betriebsrates über beabsichtigte Betriebsänderungen. In Unternehmen mit mehr als 300 Arbeitnehmern hat der Betriebsrat das Recht, zu seiner Unterstützung einen Berater hinzuzuziehen. Aus dem Fehlen eines Hinweises auf § 80 Abs. 3 BetrVG folgt, dass es dazu keiner näheren Vereinbarung mit dem Arbeitgeber bedarf (Richardi/Annuß, § 111 Rn 52; Bauer, NZA 2001, 375). § 80 Abs. 3 BetrVG bleibt nur "im Übrigen" unberührt, d.h. der Betriebsrat kann stattdessen auch – ggf. möglicherweise zusätzlich – Sachverständige nach Maßgabe des § 80 Abs. 3 BetrVG heranziehen. Die im Jahr 2001 eingefügte Regelung in § 111 S. 2 BetrVG soll es dem Betriebsrat ermöglichen, "die Auswirkungen einer geplanten Betriebsänderung rasch zu erfassen und … fundierte Alternativvorschläge … so rechtzeitig zu erarbeiten, dass er auf die Entscheidung des Arbeitgebers noch Einfluss nehmen kann" (Gesetzesbegründung BT-Drucks 14/5741, 52). Der die Einzahl verwendende Wortlaut steht der Möglichkeit, bei Bedarf auch mehrere Berater hinzuzuziehen, nicht entgegen.

 

Rz. 904

 

Hinweis

Für die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers gilt auch bezüglich der Beraterkosten § 40 Abs. 1 BetrVG; sie besteht also nur bei notwendiger Einschaltung eines Sachverständigen (Richardi/Annuß, § 111 Rn 53 m.w.N.). Inhaltlich ist der Arbeitgeber dem Betriebsrat ggü. verpflichtet, die vereinbarte Vergütung an den Sachverständigen zu zahlen bzw. ihn von der Inanspruchnahme durch den Sachverständigen freizustellen. Der Sachverständige selbst kann seinen Vergütungsanspruch direkt ggü. dem Arbeitgeber nur dann geltend machen, wenn der Betriebsrat ihm seinen Anspruch – den der Sachverständige gegenüber dem Betriebsrat geltend gemacht haben muss (etwa durch Rechnungstellung) – gegen den Arbeitgeber nach ordnungsgemäß zustande gekommenem Betriebsratsbeschluss abgetreten hat. In diesem Fall wandelt sich der Freistellungsanspruch des Betriebsrates in einen Zahlungsanspruch des Sachverständigen (BAG v. 13.5.1998 – 7 ABR 65/96, juris).

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