Joachim Vetter, Dr. iur. Martin Nebeling
Rz. 35
Für die Differenzierung zwischen Betrieb und Betriebsteil ist der Grad der Verselbstständigung entscheidend, der im Umfang der Leitung der organisatorischen Einheit zum Ausdruck kommt. Erstreckt sich die in der organisatorischen Einheit ausgeübte Leitungsmacht auf die wesentlichen Funktionen des Arbeitgebers in den sozialen und personellen Angelegenheiten, handelt es sich um einen selbstständigen Betrieb. Für das Vorliegen eines Betriebsteils i.S.v. § 4 Abs. 1 BetrVG genügt ein Mindestmaß an organisatorischer Selbstständigkeit gegenüber dem Hauptbetrieb. Dazu reicht es aus, dass in der organisatorischen Einheit überhaupt eine den Einsatz der Arbeitnehmer bestimmende Leitung institutionalisiert ist, die Weisungsrechte des Arbeitgebers ausübt. Zu einer eigenen betriebsverfassungsrechtlichen Einheit wird ein derartiger Betriebsteil jedoch erst unter den zusätzlichen Voraussetzungen von § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 (räumlich weite Entfernung vom Hauptbetrieb) oder Nr. 2 (Eigenständigkeit durch Aufgabenbereich und Organisation) BetrVG (BAG v. 26.5.2021 – 7 ABR 17/20, juris; BAG v. 17.5.2017 – 7 ABR 21/15, juris: 11 km vom Hauptbetrieb entfernter Produktionsstandort; BAG v. 17.1.2007 – 7 ABR 63/05, juris: Kinderhort als selbstständiger Kleinbetrieb).
Rz. 36
Ein Betriebsteil zeichnet sich dadurch aus, dass er über einen eigenen Arbeitnehmerstamm, über eigene technische Hilfsmittel und durch die räumliche und funktionale Abgrenzung vom übrigen Betrieb über eine bedingte relative Selbstständigkeit verfügt; andererseits fehlt ihm ein Leitungsapparat, um insb. in personellen oder sozialen Angelegenheiten wesentliche Entscheidungen selbstständig treffen zu können (sonst würde es sich ja um einen Betrieb, nicht um einen Betriebsteil handeln; für den nicht notwendig identischen Betriebsbegriff des Kündigungsrechts BAG v. 21.6.1995 – 2 AZR 693/94, juris). So genügt die Entscheidungsbefugnis von Filialleitern auf dem Gebiet der Personaleinsatzplanung und der Arbeitszeitgestaltung sowie über Prämien nicht für die Annahme einer für einen Betrieb – in Abgrenzung zum Betriebsteil – ausreichenden Selbstständigkeit (LAG Düsseldorf v. 4.9.2008 – 11 TaBV 103/07, juris). Ob und inwieweit einheitliche Leitungsapparate oder verschiedene Leitungen tätig werden, obliegt der Organisationshoheit des Arbeitgebers. Ihm kann nicht verwehrt werden, eine Neustrukturierung der Leitungsbefugnisse vorzunehmen (LAG Düsseldorf v. 22.10.2008 – 7 TaBV 85/08, juris).