Joachim Vetter, Dr. iur. Martin Nebeling
Rz. 37
Ein Betriebsteil – und kein unselbstständiger Teil einer anderen betrieblichen Einheit – liegt vor bei einem Mindestmaß an organisatorischer Selbstständigkeit ggü. dem Hauptbetrieb. Dazu reicht es aus, dass in der organisatorischen Einheit überhaupt eine den Einsatz der Arbeitnehmer bestimmende Leitung institutionalisiert ist, die Weisungsrechte des Arbeitgebers ausübt (BAG v. 17.5.2017 – 7 ABR 21/15, juris; BAG v. 7.5.2008 – 7 ABR 15/07, juris). Es genügt eine Person mit Leitungsmacht, die Weisungsrechte des Arbeitgebers ausübt (BAG v. 9.12.2009 – 7 ABR 38/08, juris: Kindergärten mit eigener Leitung genügen; BAG v. 19.2.2002 – 1 ABR 26/01, juris: Geschäftsstelle mit eigener Büroleiterin genügt; BAG v. 28.6.1995 – 7 ABR 59/94, juris: Büro als Anlaufstelle für Monteure im Außendienst genügt nicht; LAG Schleswig-Holstein v. 20.1.2010 – 6 TaBV 39/09, juris: Betriebshof für Busse und Fahrzeuge einer Verkehrsgesellschaft als Betriebsteil; weitere Beispiele bei DKW/Trümner, § 4 Rn 42 ff.). Damit in einer solchen Einheit eigene Betriebsräte zu wählen sind, muss die räumliche Entfernung vom Hauptbetrieb oder – bei räumlicher Nähe – die relative Eigenständigkeit nach Aufgabenbereich und Organisation hinzukommen.
Rz. 38
Wegen des auf das Gebiet der Bundesrepublik begrenzten Geltungsbereichs des BetrVG können im Ausland gelegene selbstständige Betriebe nach § 1 BetrVG keinesfalls Betriebsräte wählen – sie können auch nicht über einen Zuordnungsbeschluss einbezogen werden (Fitting, § 1 Rn 12 ff.; Richardi, Einleitung Rn 76 ff.; weitergehend GK/Franzen, § 1 Rn 9 ff. und § 4 Rn 23 sowie GK/Raab, § 7 Rn. 47 ff.; a.A. DKW/Trümner, § 3 Rn 214 f.). Das Verbot gilt auch für räumlich weit entfernte, im Ausland gelegene Betriebsteile. Wenn allerdings Außendienstmitarbeiter, die einem inländischen Betrieb zugehörig sind, im Ausland tätig sind, werden diese durch einen im zuständigen inländischen Betriebsteil gewählten Betriebsrat repräsentiert und können auch mitwählen (und gewählt werden). Dasselbe gilt, wenn die im Ausland gelegene Einheit nicht mangels Organisationsstruktur nicht einmal als Betriebsteil anzusehen ist (Rdn 37).
Rz. 39
Hinweis
Zu unterscheiden sind also
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eigene selbstständige Betriebe, die, soweit sie mindestens fünf wahlberechtigte Arbeitnehmer aufweisen, immer eigene Betriebsräte zu wählen haben, |
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Betriebsteile, die mindestens fünf wahlberechtigte Arbeitnehmer aufweisen, die nach Aufgabenbereich und Organisation eigenständig sind; sie haben grds. ebenfalls eigene Betriebsräte zu wählen (auch wenn sie räumlich nicht weit vom Hauptbetrieb entfernt sind, etwa auf demselben Betriebsgelände liegen), |
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Betriebsteile, die mindestens fünf wahlberechtigte Arbeitnehmer aufweisen und die räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt sind; sie haben (unabhängig davon, ob sie nach Aufgabenbereich und Organisation eigenständig sind oder nicht) grds. ebenfalls eigene Betriebsräte zu wählen, |
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Betriebsteile, die mindestens fünf wahlberechtigte Arbeitnehmer aufweisen, die nicht nach Aufgabenbereich und Organisation eigenständig sind und die räumlich nicht weit vom Hauptbetrieb entfernt sind; diese müssen zwingend an der Wahl im Hauptbetrieb teilnehmen, |
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Betriebsstätten, die nicht einmal eine Mindestorganisation aufweisen, deren Arbeitnehmer daher zwingend beim Hauptbetrieb mitwählen müssen (wie auch Außendienstler und ähnliche Personengruppen), |
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Kleinbetriebe und Betriebsteile, die keine fünf wahlberechtigten Arbeitnehmer aufweisen; diese müssen (vgl. § 4 Abs. 2 BetrVG) immer beim Hauptbetrieb mitwählen (mit abzulehnender Einschränkung obiter dictum des BAG v. 17.1.2007 – 7 ABR 63/05, juris, dem folgend LAG Hessen v. 2.8.2021 – 16 TaBV 7/21, juris: Anderes kann allenfalls gelten, wenn die räumliche Entfernung so erheblich ist, dass von dem im Hauptbetrieb errichteten Betriebsrat die Mitbestimmungsrechte für den nicht betriebsratsfähigen Betrieb nicht mehr sinnvoll ausgeübt werden können, wobei die technischen Kommunikationsmittel berücksichtigt werden können. Dies würde dazu führen, dass die nicht betriebsratsfähige Einheit betriebsratslos bleiben müsste). |