Rz. 1128

Die dargestellten betriebsverfassungsrechtlichen Notwendigkeiten haben mit der Frage des Verhältnisses Arbeitnehmer/Arbeitgeber nur bedingt zu tun. Zu beachten ist hier: Einseitige Versetzungen, also gegen den Willen des Arbeitnehmers angeordnete Zuweisungen, sind nur wirksam, wenn der Arbeitsvertrag des Arbeitnehmers solche Weisungen (mit Direktionsrecht) gestattet (etwa mit der Versetzungsklausel: "Dem Arbeitnehmer können nach billigem Ermessen auch Tätigkeiten als Schlosser an anderen Orten innerhalb Nordbayerns zugewiesen werden.") oder wenn das Weisungsrecht nach § 106 GewO eröffnet und nicht durch Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag oder Gesetz eingeschränkt ist. Dann kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer einseitig auch ohne dessen Zustimmung "versetzen". Wirksam ist eine solche Anweisung allerdings nur, wenn zusätzlich die oben skizzierte Mitbestimmung des Betriebsrates beachtet ist (BAG v. 26.1.1993 – 1 AZR 303/92, juris).

 

Rz. 1129

Gibt der Arbeitsvertrag des Arbeitnehmers die Versetzung nicht her (keine Versetzungsklausel) und ist diese auch nicht durch § 106 GewO gestattet (etwa weil der Arbeitsort im Arbeitsvertrag festgelegt und keine Versetzungsklausel vereinbart ist), dann muss vor Durchführung der Zuweisung dieser Arbeitsvertrag erst geändert werden. Dies kann einvernehmlich sein (der Arbeitnehmer möchte diese neue Stelle gerne haben). Bei fehlendem Einverständnis des Arbeitnehmers kann die Änderung aber nicht durch die Zustimmung des Betriebsrates zur Versetzung erreicht werden. Diese hat keine Auswirkung auf die Pflichten des Arbeitnehmers und auf den Arbeitsvertrag (anders als unter Umständen bei normativ wirkenden Betriebsvereinbarungen nach § 87 BetrVG). Bedeutung hat im Verhältnis Arbeitnehmer und Arbeitgeber insoweit nur eine fehlende Zustimmung des Betriebsrates, weil die Einhaltung der Mitbestimmungsrechte Wirksamkeitsvoraussetzung ist für die zulässige Anweisung zur Aufnahme der Arbeit an dem konkreten neuen Arbeitsplatz.

 

Rz. 1130

Die Änderung kann in den Fällen fehlenden Weisungsrechtes und fehlenden Einverständnisses des Arbeitnehmers durch Änderungskündigung erreicht werden. Selbst wenn diese Änderungskündigung – die der Arbeitnehmer mit Änderungsschutzklage nach § 2 KSchG beim ArbG angreifen kann – wirksam ist, darf dem Arbeitnehmer die Stelle trotzdem nicht ohne Weiteres gegeben werden. Auch dann ist zusätzlich die oben skizzierte Mitbestimmung des Betriebsrates einzuhalten. Mit der Änderungskündigung erreicht man nämlich nur diejenige Situation, die gegeben wäre, wenn der Arbeitsvertrag schon eine Versetzungsklausel beinhalten würde. Der Umsetzung steht auf individualrechtlicher Seite – also im Verhältnis Arbeitgeber/Arbeitnehmer – nach der Änderung des Vertrags nichts mehr entgegen. Es fehlt aber noch die betriebsverfassungsrechtliche Seite. Die Umsetzung des geänderten Vertrages, die Zuweisung des Einsatzes auf dem neuen Arbeitsplatz, muss unabhängig hiervon noch tatsächlich durchgeführt werden. Dieser tatsächliche Einsatz, die tatsächliche Umsetzung ist als "Versetzung" i.S.d. § 95 Abs. 3 BetrVG mitbestimmungspflichtig. Vor der Umsetzung ist daher das Verfahren nach § 99 BetrVG durchzuführen. Gegen die Änderungskündigung kann der Betriebsrat nichts unternehmen – natürlich ist er aber vor Ausspruch der Änderungskündigung nach § 102 BetrVG anzuhören.

 

Rz. 1131

 

Hinweis

Die Änderungskündigung ist aber nicht schon deswegen unwirksam oder schwebend unwirksam, weil man wegen des noch nicht durchgeführten oder abgeschlossenen Verfahrens nach § 99 BetrVG im Zeitpunkt des Zuganges der Änderungskündigung noch gar nicht sicher ist, ob der Betriebsrat der Versetzung zustimmen wird, ob der Arbeitnehmer also wirklich entsprechend dieser Änderungskündigung eingesetzt werden kann (BAG v. 30.09.93 – 2 AZR 283/93, juris; BAG v. 18.5.2017 – 2 AZR 606/16; ebenso BAG v. 17.6.1998 – 2 AZR 336/97, juris, für den Fall der Änderungskündigung, die zur Zuordnung in ein neues Entgeltsystem führen soll, bei im Zeitpunkt der Änderungskündigung fehlenden Zustimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG).

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