Joachim Vetter, Dr. iur. Martin Nebeling
Rz. 1134
Die Dauer der Zuweisung – "voraussichtlich die Dauer eines Monats überschreitet" – muss zur Änderung des Arbeitsbereichs als zweites Tatbestandsmerkmal hinzukommen, damit die Mitbestimmungspflicht ausgelöst ist. Schon nach dem Wortlaut kommt es auf die Planung der Maßnahme, auf eine Prognose an, ob die Änderung für mehr als einen Monat gedacht ist.
Rz. 1135
Hinweis
Ist die Maßnahme für zwei Monate geplant, ist die Mitbestimmung erforderlich. Kommt aber zum Beispiel der vertretene Arbeitnehmer doch schon nach zwei Wochen zurück, ändert dies an der Mitbestimmungspflicht nichts. Ist die Zuweisung des anderen Arbeitsbereichs etwa nur für vier Wochen geplant, wird sie aber über einen Monat hinaus verlängert, stellt sich die Frage, ob die Mitbestimmungspflicht dann ausgelöst wird. Vieles spricht dafür, dass dies der Fall ist, wenn die Verlängerung über einen Monat hinaus tatsächlich zur Entscheidung ansteht (so wohl DKW/Bachner, § 99 Rn 122). Nach a.A. ist die Einschaltung des Betriebsrats nur nötig, wenn die Verlängerung erheblich ist (so etwa GK/Raab, § 99 Rn 118) oder gar, wenn die Verlängerung nunmehr für mehr als einen weiteren Monat beabsichtigt ist (so Fitting, § 99 Rn 155; Richardi/Thüsing, § 99 Rn 131, jeweils m.w.N.). Eine gerichtliche Entscheidung wird jedenfalls nicht in einem Verfahren etwa nach § 101 BetrVG möglich sein, weil ein solches Verfahren mit dem Ende der Zuweisung als erledigt anzusehen ist.
Rz. 1136
Auf eine "erhebliche Änderung der Umstände, unter denen die Arbeit zu leisten ist" (2. Alternative), kommt es nur an, wenn die Zuweisung des anderen Arbeitsbereichs die Dauer eines Monats nicht überschreitet, also bei kurzfristigen Änderungen. Die erhebliche Änderung liegt nur vor, wenn diese Änderung – im Rahmen der Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs – aus objektiver Sicht bedeutsam und für den betroffenen Arbeitnehmer gravierend ist. Hierbei kann auch von Bedeutung sein, wie lange der Arbeitnehmer den mit den äußeren Faktoren der Arbeit einhergehenden Belastungen ausgesetzt ist (BAG v. 29.9.2020 – 1 ABR 21/19, juris). Beachtlich sein können alle äußeren Umstände wie die Gestaltung des Arbeitsplatzes, die Ausstattung mit technischen Hilfsmitteln, die Mitarbeiter und Vorgesetzten, die Entfernung von der Wohnung und zu den Sozialeinrichtungen, die Lage der Arbeitszeit, Lärm, Schmutz, Hitze oder Nässe. All diese Änderungen können schon für den Begriff des anderen Arbeitsbereichs bedeutsam sein. Für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals müssen die Änderungen erheblich sein – entscheidend hierfür ist die objektive Erheblichkeit aus Sicht eines vernünftigen Arbeitnehmers (BAG v. 11.12.2007 – 1 ABR 73/06, juris; GK/Raab, § 99 Rn 120).
Rz. 1137
Eine solche "erhebliche Änderung der Umstände, unter denen die Arbeit zu leisten ist", ist etwa dann nicht gegeben, wenn der Co-Pilot wenige Tage als Flugkapitän eingesetzt wird (BAG v. 11.12.2007 – 1 ABR 73/06, juris) oder wenn der Souschef zu Saalcheftätigkeiten, der Kassierer zu Tätigkeiten am Spieltisch eingesetzt wird (BAG v. 13.3.2007 – 1 ABR 22/06, juris) oder bei der Einteilung der Arbeitnehmer zu Workshops (BAG v. 28.8.2007 – 1 ABR 70/06, juris). Die Erheblichkeit ist erfüllt, wenn der Arbeitnehmer für einige Tage in einen 160 km entfernten Arbeitsort entsandt wird, auch wenn er täglich an seinen Wohnort zurückkehrt (BAG v. 8.8.1989 – 1 ABR 63/88, juris; auch bei einem dreitägigen Einsatz zu Werbezwecken mit mindestens 180 km Entfernung, hier kommt noch die geänderte Tätigkeit – Demonstration der Tätigkeit statt Spielleitung durch den Croupier hinzu, BAG v. 1.8.1989 – 1 ABR 51/88, juris), erst recht natürlich bei einem Einsatz in Japan (BAG v. 18.2.1986 – 1 ABR 27/84, juris). Allerdings genügt die Notwendigkeit einer auswärtigen Übernachtung für sich nicht immer für die Annahme erheblich geänderter Umstände (BAG v. 21.9.1999 – 1 ABR 40/89, juris).
Rz. 1138
Die Aushilfe bei Filialeröffnungen stellt wegen der anderen Anforderungen ebenfalls eine erhebliche Änderung der Umstände dar (BAG v. 18.10.1988 – 1 ABR 26/87, juris; anderes gilt bei "normaler" Aushilfe, selbst wenn es weitere Anfahrtswege gibt und die Zusammenarbeit mit anderen Kollegen und Vorgesetzten erfolgt, BAG v. 28.9.1988 – 1 ABR 37/87, juris). Die bloße Eingliederung in einen anderen Betrieb genügt zur Begründung der Erheblichkeit für sich genommen nicht; dies gilt erst recht, wenn die Tätigkeit für einen anderen Arbeitgeber erfolgt und nicht dem eigentlichen Vertragsarbeitgeber zuzurechnen ist – dann beschränkt sich die Zuweisung auf eine Freistellung (instruktiv BAG v. 19.2.1991 – 1 ABR 36/90, juris).
Rz. 1139
Hinweis
Selbst wenn die Tätigkeiten im Bereich Kasse und daher in einem anderen Arbeitsbereich stattfinden und durch eine hohe Lärmbelästigung gekennzeichnet sind, wenn die Arbeitnehmer in erhöhtem Maß dem Einfluss von Zugluft und Temperaturschwankungen ausgesetzt sind, genügt dies für sich nicht. Sie sind nicht für mehr als einen Monat angelegt. Jedenfalls in den Fällen, in...