Joachim Vetter, Dr. iur. Martin Nebeling
Rz. 490
Der Vorsitzende ist gehalten, das "richtige" Ersatzmitglied zur Sitzung zu laden. Grds. ist, hat die Betriebsratswahl aufgrund mehrerer Vorschlagslisten nach den Grundsätzen der Verhältniswahl stattgefunden, das Ersatzmitglied derjenigen Vorschlagsliste zu entnehmen, auf der auch das verhinderte Mitglied stand. Allerdings ist hierbei zu beachten, dass "das Geschlecht in der Minderheit" nach § 15 Abs. 2 BetrVG immer ausreichend vertreten sein muss.
Rz. 491
Beispiel
Waren bei Erlass des Wahlausschreibens die Frauen "das Geschlecht in der Minderheit", sodass sie nach § 15 Abs. 2 BetrVG i.V.m. § 5 WO einen Mindestanteil an Betriebsratssitzen erhalten müssen, und ist ein männliches Betriebsratsmitglied verhindert, so tritt an seine Stelle immer das erste noch nicht berücksichtigte Betriebsratsmitglied aus der betreffenden Vorschlagsliste, selbst wenn es sich hierbei um ein weibliches Betriebsratsmitglied handelt. Die Frauen müssen nach dem Gesetz nur mit "mindestens" entsprechend vielen Mitgliedern im Betriebsrat vertreten sein, mehr dürfen es jederzeit sein. Ist ein weibliches Mitglied verhindert, so ist zu unterscheiden: Ist die Mindestzahl der weiblichen Betriebsratsmitglieder trotz des Fehlens des verhinderten weiblichen Mitgliedes noch erfüllt, so rückt das erste Ersatzmitglied der betreffenden Vorschlagsliste nach, auch wenn es sich hierbei um einen Mann handelt. Ist die Minderheitenquote angesichts der Verhinderung nicht mehr erfüllt, so muss ein weibliches Mitglied nachrücken. Dieses ist derjenigen Vorschlagsliste zu entnehmen, auf der auch das verhinderte Mitglied stand. Weist diese Vorschlagsliste nur noch Männer als Ersatz auf, so fällt der Sitz an die Vorschlagsliste mit der nächsten noch nicht berücksichtigten Höchstzahl, also diejenige, die den nächsten Betriebsratssitz erhalten hätte – natürlich nur, soweit diese Vorschlagsliste noch nicht berücksichtigte Frauen aufweist. Es rückt das erste auf dieser Vorschlagsliste stehende weibliche Ersatzmitglied nach (vgl. auch § 15 Abs. 5 WO). Es gilt dasselbe wie bei der Feststellung der gewählten Betriebsratsmitglieder nach der Wahl (ausführlich Rdn 275). Beim Ausscheiden oder Verhinderung mehrerer Betriebsratsmitglieder sind die Nachrücker, die für eine Person des Minderheitengeschlechts zurückstehen müssen, ebenfalls nach den Vorgaben des § 15 Abs. 5 WO zu bestimmen (LAG Berlin-Brandenburg v. 25.7.2017 – 7 TaBV 358/17, juris).
Rz. 492
Lädt der Vorsitzende kein oder ein falsches Ersatzmitglied, dann ist der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß besetzt mit der Folge, dass die auf dieser Sitzung gefassten Beschlüsse keine Wirksamkeit entfalten (LAG Hamm v. 11.10.2007 – 13 Sa 1100/07, juris). Anderes gilt nur dann, wenn ein Ersatzmitglied ohne Verhinderung des ordentlichen Mitgliedes an der Sitzung teilnimmt, etwa wenn das ordentliche Mitglied ohne Grund einfach nicht erscheint. Dann liegt eine ordnungsgemäße Ladung auch des ordentlichen Mitgliedes vor. Der Fehler liegt nur darin, dass ein Mitglied zu viel an der Sitzung teilnimmt. In diesem Fall darf bei einer Beschlussfassung des Betriebsrates die Stimme des zu Unrecht anwesenden Ersatzmitgliedes nicht gewertet werden. Bleibt trotz des Abzuges dieser Stimme die Mehrheit der Stimmen der Anwesenden für den Beschluss erhalten, bleibt der Beschluss auch wirksam. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, im Zweifel lieber ein Ersatzmitglied zu viel zu laden: Kommt es beim Beschluss auf dessen Stimme nicht an, weil die Mehrheit eindeutig ist, schadet dies nicht.