Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung des Minderheitengeschlechts bei der Bestimmung von Nachrückern für gleichzeitig ausgeschiedene Betriebsratsmitglieder. Unbegründeter Feststellungsantrag eines unberücksichtigten Listenbewerbers bei zutreffender Bestimmung der Nachrücker nach den Grundsätzen der Verhältniswahl
Leitsatz (amtlich)
Scheiden mehrere Mitglieder des Betriebsrates gleichzeitig aus dem Gremium aus und wird dadurch die Geschlechterquote unterschritten, so ist der Nachrücker, der für eine Person des Minderheitengeschlechts zurückstehen muss, nach den Regelungen in § 15 Abs. 5 WO zu bestimmen.
Normenkette
BetrVG § 25 Abs. 2, § 15 Abs. 2, § 25 Abs. 1, 2 S. 1; WahlO BetrVG § 15 Abs. 2; WahlO BetrVG § 15 Abs. 5; ZPO § 256 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 13.01.2017; Aktenzeichen 23 BV 4661/16) |
Tenor
I. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 13. Januar 2017 - 23 BV 4661/16 - wird zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
Die Beteiligten streiten darüber, wie bei einem gleichzeitigen Ausscheiden von Betriebsratsmitgliedern unterschiedlicher Listen die Nachrücker unter Berücksichtigung des Minderheitengeschlechts zu bestimmen sind.
Der Beteiligte zu 2 (im folgenden Betriebsrat) ist der für den Betrieb der Beteiligten zu 3 (im folgenden Arbeitgeberin) im Jahr 2014 mit 23 Mitgliedern gewählte Betriebsrat. Im Zeitpunkt der Wahl betrug die Gesamtbeschäftigtenzahl für diesen Betrieb 3.469, davon waren 871 Frauen. Diese mussten mithin gemäß §§ 15 Abs. 2 BetrVG, 5 WO mit 6 Sitzen im Betriebsrat vertreten sein. Zur Wahl standen 5 Listen, für deren Bewerberinnen und Bewerber im Einzelnen auf die Bekanntmachung des Wahlvorstandes vom 07.04.2014 (Bl. 12 - 15 d.A.) Bezug genommen wird.
Der Antragsteller und Beteiligte zu 1 war mit dem Listenplatz 7 Wahlbewerber auf der Liste 4.
Das Ergebnis der Wahl war wie folgt:
Liste 1: |
GDL - Stark... |
6 Sitze |
Liste 2: |
WIR S-Bahner ... |
3 Sitze |
Liste 3: |
Mehr bewirken - EVG... |
7 Sitze |
Liste 4: |
Aktive Interessenvertretung |
3 Sitze |
Liste 5: |
Transparenz ... |
4 Sitze |
Die Zuteilung der Sitze erfolgte nach dem d'Hontschen System, mittels dessen die Plätze 1 bis 23 errechnet wurden. Dem Minderheitengeschlecht gehörten zunächst acht Betriebsratsmitglieder an, durch Ausscheiden und Nachrücken später dann am 31.12.2015 nur noch 6 Betriebsratsmitglieder. Für die Zusammensetzung des Betriebsrats am 31.12.2015 wird auf die Aufstellung auf Bl. 5 d.A. Bezug genommen.
Mit der Trennung von Eisenbahninfrastrukturunternehmen und Eisenbahnverkehrsunternehmen wurde der Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen der DB Netz AG und der S-Bahn Berlin GmbH aufgelöst. Auf die im Zuge dieser Maßnahme ausgegründete Gesellschaft gingen zum 01.01.2016 ca. 400 Arbeitsverhältnisse über, darunter auch die Arbeitsverhältnisse von fünf Betriebsratsmitgliedern; und zwar eine Frau aus der Liste 2 mit dem Betriebsratssitz Nr. 13, 2 Betriebsratsmitglieder, darunter eine Frau, aus der Liste 3 mit den Sitzen Nr. 4 und 17, und zwei Betriebsratsmitglieder aus der Liste 4 mit den Betriebsratssitzen Nr.14 und 22, beides Männer. Diese 5 Betriebsratsmitglieder schieden somit aus dem Gremium aus.
Die der Reihe nach als Nachrücker anstehenden Ersatzmitgliedern aus den Listen 2, 3 und 4 gehörten sämtlich dem männlichen Geschlecht an. Im Hinblick auf die somit eintretende Unterrepräsentation des weiblichen Geschlechts nahm der Betriebsrat die Bestimmung der Nachrücker auf der Grundlage des § 15 Abs. 5 WO vor. Er ging dabei so vor, dass er zunächst auf die beiden freiwerdenden Betriebsratssitze mit der niedrigsten d'Hondtschen Höchstzahl abstellte. Dies waren die Sitze 17 (Liste 3) und 22 (Liste 4). Sodann entschied er, dass hier jeweils eine Frau aus der Liste 3 und eine Frau aus der Liste 4 nach der Reihenfolge in der jeweiligen Wahlliste nachrücken werde. Dies hat zur Folge, dass der Beteiligte zu 1, der nach der Reihe der Listenplätze Ersatzmitglied für den von der Liste 4 nachzubesetzenden Betriebsratssitz Nr. 22 gewesen wäre, der ihm auf dem Listenplatz nachfolgenden Frau den Vortritt einräumen musste. Mit der Besetzung der Betriebsratssitze Nr. 17 und 22 jeweils mit Frauen war die Minderheitenquote gewahrt. Auf die beiden nicht berücksichtigten Männer entfielen bei Fortschreibung des Wahlergebnisses eine Höchstzahl von 38,66 Periode bzw. 38 (Beteiligter zu 1), wohingegen auf den nachgerückten männlichen Bewerber eine Höchstzahl von 50,45 Periode entfallen wäre.
Der Beteiligte zu 1 hält dieses Verfahren für unzutreffend. Für ein Betriebsratsmitglied des Minderheitengeschlechts müsse in Anwendung von § 17 Abs. 2 WO das Mitglied des Minderheitengeschlechts nachrücken, das auf dem nächsten Listenplatz der betreffenden Liste stünde, aus der das Betriebsratsmitglied ausgeschieden sei. Mithin sei von der Liste 2 zu Recht eine Frau, von der Liste 3 aber ebenfalls eine Frau von einem nachfolgenden Listenplatz nachgerückt. Da damit die Quote des Minderheiteng...