Joachim Vetter, Dr. iur. Martin Nebeling
Rz. 1019
Über die i.R.d. betrieblichen Lohngestaltung schon bestehenden Mitbestimmungsrechte hinaus sind dem Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG für die hier bezeichneten Leistungsentgelte weitere Mitbestimmungsrechte eingeräumt, die – sozusagen gesetzlich gewollt – Einfluss auf die Lohnhöhe gewinnen können. Der Grund für diese "erweiterte" Mitbestimmung bei den leistungsbezogenen Entgelten liegt in der besonderen Belastungsgefahr, die durch die Anreizfunktion dieser Entlohnungssysteme für die Arbeitnehmer hervorgerufen werden kann und der die Mitbestimmung des Betriebsrates entgegenwirken soll (BAG v. 13.9.1983 – 1 ABR 32/81; BAG v. 29.3.1977 – 1 ABR 123/74). Hauptzweck des Mitbestimmungsrechtes ist wie bei § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG die Wahrung der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit (BAG v. 29.3.1977 – 1 ABR 123/74).
Rz. 1020
Die folgenden Rechtsprechungsbeispiele belegen den ausgesprochenen Detailcharakter der dem Betriebsrat bei den Leistungsentgelten eingeräumten Mitbestimmung:
Die Regelung von Erholungszeiten als Bestandteil der Vorgabezeit für Akkordlöhne unterliegt der Mitbestimmung des Betriebsrats (BAG v. 24.2.1987 – 1 ABR 15/85).
Der Betriebsrat hat mitzubestimmen über die Frage, ob bei Akkordarbeit anfallende Wartestunden mit dem Akkordrichtsatz oder dem persönlichen Durchschnittsverdienst des Arbeitnehmers bezahlt werden sollen (BAG v. 14.2.1989 – 1 AZR 97/88).
Bei der Einführung eines Provisionssystems, nach dem die Abschlussprovision nach Centsätzen pro Artikel gezahlt werden soll und zu diesem Zweck sechs Provisionsgruppen mit unterschiedlichen Centsätzen gebildet werden, unterliegt auch die Zuordnung der einzelnen Artikel zu den Provisionsgruppen dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates (BAG v. 26.7.1988 – 1 AZR 54/87).
Mitbestimmungspflichtig ist die Frage, ob innerhalb eines Akkordlohnsystems die in der Vorgabezeit enthaltene Erholungszeit zu feststehenden Kurzpausen zusammengefasst werden soll (BAG v. 24.11.1987 – 1 ABR 12/86).
Bei einem Prämienlohn hat der Betriebsrat über den Verlauf der Prämienkurve einschließlich der Zuordnung von Geldbeträgen zu bestimmten Leistungsgraden mitzubestimmen (BAG v. 16.12.1986 – 1 ABR 26/85).
Unter Geldfaktor ist der Geldbetrag zu verstehen, der in einem Leistungslohnsystem die Lohnhöhe für die Bezugs- oder Ausgangsleistung und damit den Preis für die Arbeit im Leistungslohn bestimmt (BAG v. 16.12.1986 – 1 ABR 26/85).
Bei Zielvereinbarungen hat der Betriebsrat neben § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG auch aus § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG bei den strukturellen Vorgaben mitzubestimmen, z.B. Rahmenvorgaben für die Ziele, Festlegung der Zielgrößen, Bemessungszeitraum und Bewertungsmethode. Das BAG scheint aber auch die konkreten Zielvereinbarungen, ihre Gewichtung und deren Feststellung für mitbestimmungspflichtig zu halten (BAG v. 21.10.2003 – 1 ABR 39/02).
Rz. 1021
Ein dem Akkord- und Prämienlohn vergleichbares leistungsbezogenes Entgelt liegt nur vor, wenn eine Leistung des Arbeitnehmers gemessen und mit einer Bezugsleistung verglichen und das nach dem Verhältnis der gezeigten Leistung zur Bezugsleistung bemessene Entgelt für eben diese gezeigte Leistung gezahlt wird.
Rz. 1022
Praxistipp zur Abgrenzung
Wird aufgrund eines geregelten Beurteilungsverfahrens für eine in der Vergangenheit liegende Leistung eine Leistungszulage gewährt, die sich nach der Zahl der erhaltenen Beurteilungspunkte bemisst, aber künftig zum tariflichen Stundenlohn gezahlt wird, so handelt es sich nicht um ein dem Akkord- und Prämienlohn vergleichbares leistungsbezogenes Entgelt (BAG v. 22.10.1985 – 1 ABR 67/83). Auch eine reine Abschlussprovision ist kein vergleichbares leistungsbezogenes Entgelt (BAG v. 13.3.1984 – 1 ABR 57/82).