Joachim Vetter, Dr. iur. Martin Nebeling
Rz. 1198
Nach § 103 Abs. 1 BetrVG bedarf die außerordentliche Kündigung von Mitgliedern des Betriebsrats, der Jugend- und Auszubildendenvertretung, der Bordvertretung und des Seebetriebsrats, des Wahlvorstands und von Wahlbewerbern der Zustimmung des Betriebsrats. Durch die Regelung soll verhindert werden, dass eine der genannten geschützten Personen aus dem Betrieb gedrängt wird – ohne diesen Schutz könnte der Arbeitgeber kündigen mit der Folge, dass die geschützten Personen zunächst den Betrieb verlassen müssten und erst nach einer erfolgreichen Kündigungsschutzklage zurückkehren könnten. In der Zwischenzeit könnte auch das Gremium an der ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Arbeit gehindert sein.
Rz. 1199
Eine ähnliche Gefährdung der Betriebsratstätigkeit könnte sich daraus ergeben, dass der Arbeitgeber von einer arbeitsvertraglichen Versetzungsklausel Gebrauch machen und das Betriebsratsmitglied vom Betrieb, für den es in den Betriebsrat gewählt wurde, weg in einen anderen Betrieb versetzen könnte. Aus diesem Grund ist früher eine analoge Anwendung des § 103 Abs. 1 BetrVG auf Versetzungen befürwortet worden (LAG Hessen v. 8.5.1995 – 11 SaGa 589/95, juris; weitere Nachweise vgl. bei GK/Raab, § 103 Rn 36). Das BAG hat eine solche analoge Anwendung zunächst "erwogen" (BAG v. 21.9.1989 – 1 ABR 32/89, juris), eine solche dann aber mangels einer planwidrigen Regelungslücke abgelehnt (BAG v. 11.7.2000 – 1 ABR 39/99, juris). Der Gesetzgeber hat die Regelungslücke durch Einführung des § 103 Abs. 3 BetrVG in der Reform zum BetrVG 2001 dann umgehend geschlossen.
Rz. 1200
Der Schutz des § 103 Abs. 3 BetrVG gilt – neben den weiteren genannten Personen – für Betriebsratsmitglieder wie bei § 103 Abs. 1 BetrVG nur während ihrer aktiven Amtszeit. Das Verfahren erledigt sich mit dem Ende der Amtszeit – außer, es schließt sich unmittelbar eine neue Amtszeit an (LAG Rheinland-Pfalz v. 28.4.2021 – 7 TaBV 9/20, juris). Der Schutz gilt für Ersatzmitglieder nur in denjenigen Zeiträumen, in denen der Ersatzfall gegeben und sie in den Betriebsrat eingerückt sind. Nach Ende des Ersatzfalles bedarf es des Schutzes nicht mehr – die Versetzung ist ohne Zustimmung des Betriebsrats möglich. Endet die Amtszeit während eines Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 103 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 BetrVG, kann der Arbeitgeber die Versetzung – Zuweisung eines anderen Arbeitsbereiches – anweisen. Der Arbeitnehmer ist dann gezwungen, den anderen Arbeitsplatz bis zu einer anderweitigen Gerichtsentscheidung einstweilen anzunehmen – auch wenn er gegen die Versetzung klagt, ist er an der Wahrnehmung des Betriebsratsamts (bei erneutem Ersatzfall) verhindert.
Rz. 1201
Der Schutz greift nach dem Gesetzeswortlaut nicht ein, wenn der Amtsträger mit der Versetzung einverstanden ist. Auch hier reicht es nicht aus, wenn er die Versetzung nur hinnimmt (vgl. Rdn 1108 und BAG v. 9.10.2013 – 7 ABR 1/12, juris).
Rz. 1202
Eine ohne erteilte oder vom Gericht ersetzte Zustimmung des Betriebsrats vorgenommene Versetzung, durch die das Betriebsratsmitglied sein Amt verlieren würde, ist unwirksam. Der Arbeitnehmer braucht einer solchen Versetzung nicht Folge zu leisten. Fraglich ist, ob auch dem Betriebsrat in solchen Fällen (es geht nicht um § 99 BetrVG) ein Aufhebungsanspruch entsprechend § 101 BetrVG zusteht, der auch im Wege einstweiliger Verfügung geltend gemacht werden kann (so LAG Nürnberg v. 11.10.2010 – 7 TaBVGa 7/10, juris; im Einzelnen sehr streitig, vgl. etwa GK/Raab, § 103 Rn 55: Anwendung des § 101 BetrVG, aber nicht mit einstweiliger Verfügung; für Anwendung des § 101 BetrVG, aber offengelassen, ob einstweilige Verfügung möglich Fitting, § 103 Rn 71b). Ein solcher Anspruch besteht jedenfalls dann nicht, wenn die Versetzung im Zusammenhang mit einer ordentlichen Kündigung wegen Schließung der Betriebsabteilung nach § 15 Abs. 4 oder 5 KSchG erfolgt: Zumindest insoweit ist der Anwendungsbereich des § 103 Abs. 3 BetrVG – der einer dem § 103 Abs. 1 BetrVG, also einer außerordentlichen Kündigung vergleichbaren Situation nachgebildet ist – nicht eröffnet (zutreffend LAG Nürnberg v. 31.1.2014 – 8 TaBVGa 1/14, juris).
Rz. 1203
Hinweis
Das BAG hat die Streitfrage des Verhältnisses zwischen § 103 Abs. 3 BetrVG und § 99 BetrVG bei Versetzung von Mandatsträgern, die zum Verlust des Betriebsratsamts führt, nunmehr geklärt (BAG v. 27.7.2016 – 7 ABR 55/14, juris). Danach geht das Beteiligungsverfahren des § 103 Abs. 3 BetrVG demjenigen zur Versetzung nach § 99 Abs. 1 und Abs. 4 BetrVG im abgebenden Betrieb als speziellere Norm vor. Der Betriebsrat kann die Zustimmung nach § 103 Abs. 3 BetrVG auch unter Berufung auf die in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Gründe verweigern. Bei vorübergehender Versetzung wird in der Regel der Anwendungsbereich des § 103 Abs. 3 BetrVG nicht gegeben sein, da das Betriebsratsmitglied sein Amt nicht verliert; anderes könnte nur dann gelten, wenn man vorübergehendes Ruhen des Amtes mit in den Schutzbereich einbezieht.
Rz. 1204
Fraglich ist, ob von einem Amtsv...