Joachim Vetter, Dr. iur. Martin Nebeling
Rz. 518
Nach der 2001 neu eingeführten Vorschrift des § 28a BetrVG kann der Betriebsrat in Betrieben mit mehr als 100 Arbeitnehmern – abzustellen wird trotz des ungenauen Gesetzeswortlautes auch hier auf i.d.R. beschäftigte Arbeitnehmer – mit absoluter Mehrheit bestimmte Aufgaben auf Arbeitsgruppen übertragen. Erforderlich hierfür ist eine mit dem Arbeitgeber abgeschlossene Rahmenvereinbarung. Es handelt sich um eine freiwillige Vereinbarung, die nicht – etwa über die Einigungsstelle – von Arbeitgeber oder Betriebsrat erzwungen werden kann und daher auch keine Nachwirkung entfaltet (Natzel, DB 2001, 1362; Fitting, § 28a BetrVG Rn 19; anders Löwisch, BB 2001, 1734, 1740 und in Löwisch/Holler, BetrVG, § 28a Rn 15: Weil Arbeitgeber und Betriebsrat nach dem 2001 neu eingeführten § 75 Abs. 2 S. 2 BetrVG die Selbstständigkeit und Eigeninitiative der Arbeitnehmer und Arbeitsgruppen zu fördern hätten, könne der Arbeitgeber durch den Betriebsrat im Wege des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens ggf. zum Abschluss einer derartigen Rahmenvereinbarung gezwungen werden, ebenso wie der Betriebsrat dann zur Übertragung der Aufgaben; dies erscheint angesichts des Appell-Charakters der Vorschrift des § 75 Abs. 2 S. 2 BetrVG als zu weitgehend).
Rz. 519
Gegenstand dieser Rahmenvereinbarung ist zum einen die Frage, ob überhaupt eine Übertragung auf eine bestimmte Arbeitsgruppe stattfinden soll, zum anderen der Umfang der Übertragung: Die Rahmenvereinbarung muss auch festlegen, welche Gegenstände durch den Betriebsrat übertragen werden können. Die Übertragung der Aufgaben selbst erfolgt dann durch einen in Schriftform auszufertigenden Betriebsratsbeschluss (§ 28a Abs. 1 S. 3 BetrVG).
Rz. 520
Nach der Begründung des RegE zum seit 2001 neuen § 28a BetrVG kommt die Übertragung insb. bei Gruppenarbeit auf die Arbeitnehmer der Gruppe in Betracht, aber auch bei sonstiger Team- und Projektarbeit "sowie für bestimmte Beschäftigungsarten und Arbeitsbereiche". Es genügt also jede Zusammenfassung von Arbeitnehmern zur Erledigung bestimmter Arbeitsaufgaben (Löwisch, NZA-Sonderbeilage zu Heft 24/2001, 43). Der Betriebsrat kann solche Arbeitsgruppen aber nicht erst bilden; sie müssen schon vorgegeben und vorhanden sein. Es dürfen nur solche Mitbestimmungsangelegenheiten auf die vorhandene Arbeitsgruppe delegiert werden, die mit den Aufgaben der Arbeitsgruppe in Zusammenhang stehen (§ 28a Abs. 1 S. 2 BetrVG). Dies ist regelmäßig bei den sozialen Angelegenheiten des § 87 BetrVG gegeben, sodass diese Arbeitsgruppen auch über Entgeltfragen eigenverantwortlich mitbestimmen können (Löwisch/Holler, BetrVG, § 28a Rn 11 f.). Dies wird sich für Prämienverteilungen bei Gruppenarbeit (§ 87 Abs. 1 Nr. 10, 11 BetrVG) innerhalb der Gruppe ebenso anbieten wie für die Festlegung einer Urlaubsregelung (§ 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG) oder die Sicherstellung der ständigen Präsenz eines Gruppenmitgliedes über die Festlegung von Arbeitszeitlage und Pausen (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG), dabei handelt es sich alles um Angelegenheiten, bei denen sich die Gruppe oder das Team selbst einigen können. Ähnliches gilt für Fragen der Arbeitsgestaltung i.S.v. § 90 BetrVG und Qualifikationsfragen nach §§ 96 ff. BetrVG. Beurteilungsfragen (§ 94 Abs. 2 BetrVG) dürften, weil sie mit der Tätigkeit der Gruppe selbst nicht in ausreichendem Zusammenhang stehen, nicht ohne Weiteres übertragen werden können (a.A. Löwisch/Holler, BetrVG, § 28a Rn 11).
Rz. 521
Einer Übertragung nicht zugänglich sind Mitbestimmungsrechte bei personellen Einzelmaßnahmen (Versetzung, Kündigung), weil hier die Person des einzelnen Arbeitnehmers und nicht die Gruppe im Vordergrund steht, und in wirtschaftlichen Angelegenheiten, bei denen es um den Betrieb als Ganzes geht. Gleiches gilt für die Einführung von Kurzarbeit. Dagegen dürfte die Zustimmung zu Überstunden durch die Gruppe gestattet sein (Richardi/Thüsing, BetrVG, § 28a Rn 24 ff.; Fitting, § 28a BetrVG Rn 23 ff.).
Rz. 522
Die Arbeitsgruppe kann i.R.d. ihr übertragenen Aufgabe nach § 28a Abs. 2 BetrVG Vereinbarungen mit dem Arbeitgeber schließen. Solche Vereinbarungen bedürfen der Mehrheit der Gruppenmitglieder, also der absoluten Mehrheit der Stimmen aller derjenigen, die zur Gruppe oder zum Team gehören. Nach § 28a Abs. 2 S. 2 BetrVG gilt § 77 BetrVG entsprechend. Die Gruppe kann also durch schriftliche Vereinbarung auch normative Regelungen i.S.d. § 77 Abs. 4 BetrVG schaffen, die für die Gruppenmitglieder verbindlich sind. Regeln über die innere Struktur der Gruppe hat der Gesetzgeber nach der amtlichen Begründung bewusst unterlassen. Sinnvoll dürfte es sein, solche Regelungsbefugnisse bereits in der Rahmenvereinbarung festzulegen. Ist dies nicht geschehen, so wird die Gruppe – auf einer Gruppenversammlung, zu der der Betriebsratsvorsitzende oder ein vom Betriebsrat beauftragtes Betriebsratsmitglied einlädt – zumindest einen Gruppensprecher wählen müssen, schon deswegen, weil dieser die mit dem Arbeitgeber getroffenen Vereinbarungen unterzeichnen muss. Dieser d...