Rz. 1
Streiks sollen die Unterlegenheit der Arbeitnehmer im Vergleich zu den Arbeitgebern und den von ihnen geführten Unternehmen abmildern. Es geht dabei zuerst um die Vereinbarung verbesserter Arbeitsbedingungen, insb. im Entgeltbereich. Vor diesem Hintergrund sind Streiks durchaus ein Mittel, um den Machtvorsprung und die Überlegenheit der Unternehmer einzuschränken, um nicht zu sagen auszugleichen. Andererseits ist ein Gleichgewicht oder eine materielle Parität nicht per se anzunehmen, denn diese ist von vielen ökonomischen, sozialen und anderen Faktoren abhängig und unterliegt einer ständigen Veränderung.
Rz. 2
Ein Streik ist bei einer planmäßigen und gemeinschaftlich durchgeführten Arbeitsniederlegung gegeben. Durch einen Streik entziehen die Arbeitnehmer dem Unternehmer die Arbeitskraft, die dieser zur Ausübung seiner Berufsfreiheit oder aber zur Verwirklichung seiner Produktionsinteressen i.S.d. Art. 12 GG benötigt. Damit verzichten die Arbeitnehmer bewusst auf das Arbeitsentgelt. Andererseits erhalten sie die Möglichkeit, Einfluss auf Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu erlangen, mit dem Ziel, dass ausreichende Entgeltbedingungen oder Arbeitszeiten realisiert werden. Der zusammenfassende Begriff hierfür ist die Selbstbestimmung, die individuell, aber auch kollektiv ausgeübt werden und wirken kann. Tarifpolitisch gesprochen ermöglicht das Streikrecht den Arbeitnehmerkoalitionen, ein Gegengewicht gegen eine freie wirtschaftliche Machtausübung des Unternehmertums oder der Arbeitgeber zu entwickeln. So gesehen geht es um gegenseitigen Freiheitsgebrauch, andererseits um die Kontrolle und das Einschränken bestimmter Lebensbereiche, als Ausfluss des Sozialstaatsprinzips, Art. 20 Abs. 3 GG. Darüber hinaus können Streiks auch die Funktion haben, Konflikte zu lösen, wie z.B. bei festgefahrenen Tarifverhandlungen. Während eine Alternative die staatliche Lohnfestsetzung wäre, die Durchführung einer Zwangsschlichtung oder eine Festsetzung durch den Arbeitgeber, führt das Streikrecht oftmals zu einer Intensivierung von Tarifverhandlungen. Dies hat freiheitsschützenden und freiheitsverbürgenden Charakter. Die zur Lohngestaltung und -ermittlung berufenen Arbeitsverbände können unter dem Druck von Streikmöglichkeiten die Verhandlungen intensivieren und vorantreiben. Dies bedeutet selbstbestimmte, zugleich kooperative Lohnfindung.
Rz. 3
In Deutschland wird relativ wenig gestreikt. Im Durchschnitt der Jahre 1949 bis 1975 gingen pro Jahr und Arbeitnehmer 17 Minuten Arbeitszeit durch einen Streik verloren. Selbst in dem Jahr 1984 war der, auch durch Aussperrungsmaßnahmen der Arbeitgeber, verursachte Arbeitsausfall nicht größer als der eines Bruchteiles eines Feiertags. Festzuhalten ist aber, dass die amtliche Statistik nicht mehr zwischen Streik und Aussperrung unterscheidet. Durch Arbeitskampfmaßnahmen fielen im Jahr 2002 310.000 Arbeitsstunden aus, im Jahr 2003 waren es 163.000, im Jahr 2005 sind etwa 19.000 Arbeitsstunden ausgefallen, im Jahr 2006 waren es 429.000, während im Jahr 2007 ca. 500.000 Arbeitsstunden durch Arbeitskampfmaßnahmen der Arbeitnehmer-, aber auch Arbeitgeberseite ausgefallen sind.
Rz. 4
Neuerdings ist festzustellen, dass firmenbezogene Streiks zunehmen (Einzelheiten bei Berg, AuR 2020, 450 ff). Dies liegt an der Dezentralisierung der Tarifpolitik, der steigenden Anzahl von Firmentarifverträgen, das Bemühen nach Verbandsaustritt, Privatisieren, Aufspaltung oder Umwandlung der Unternehmen und den hierzu erfolgten Abwehrmaßnahmen der Arbeitnehmer, um eine Tarifbindung wieder herzustellen.