Rz. 42

Der Streik ist nach zutreffender Ansicht nicht deshalb rechtswidrig, weil er ggü. einem verbandsangehörigen Arbeitgeber zu einem Firmentarifvertrag oder einem Ergänzungstarifvertrag führen soll (BAG v. 24.4.2007 – 1 AZR 252/06, DB 2007, 1924). Der Arbeitgeber behält nämlich trotz seiner Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband seine Tariffähigkeit nach § 2 Abs. 1 TVG. Er kann deshalb auch Adressat von Arbeitskampfmaßnahmen einer Gewerkschaft sein (BAG v. 10.12.2002 – 1 AZR 96/02, NZA 2003, 734; BAG v. 4.4.2001, DB 2001, 1999; BAG v. 24.1.2001, NZA 2001, 788; LAG Köln v. 14.6.1996, NZA 1997, 327).

 

Rz. 43

Ein solcher Streik um einen Firmentarifvertrag mit einem verbandsangehörigen Arbeitgeber verletzt nicht das Gebot der Arbeitskampfparität (BAG v. 24.4.2007 – 1 AZR 252/06, DB 2007, 1924; BAG v. 10.12.2002, NZA 2003, 734). § 2 Abs. 1 TVG, der dem einzelnen Arbeitgeber die Tariffähigkeit verleiht, macht zugleich deutlich, dass grds. von einem Verhandlungs- und Kampfgleichgewicht von Gewerkschaften und einzelnen Arbeitgebern auszugehen ist. Es wird auch nicht die individuelle Koalitionsfreiheit des einzelnen Arbeitgebers verletzt oder gar die kollektive Koalitionsfreiheit des Arbeitgeberverbandes beeinträchtigt (BAG v. 24.4.2007 – 1 AZR 252/06, DB 2007, 1924; BAG v. 10.12.2002, NZA 2003, 734). Das BAG hat in seiner Entscheidung v. 10.12.2002 offengelassen, ob es gegen die Betätigungsfreiheit des Arbeitgeberverbandes verstößt, wenn eine Gewerkschaft den Ablauf eines Verbandstarifvertrages zum Anlass nimmt, Firmentarifverträge gegen einzelne Arbeitgeber zu erstreiken und diese so aus dem Arbeitgeberverband herauszubrechen. Die Gewerkschaften sind nämlich an der Existenz und der Handlungsfähigkeit des Verbandes als ihres Vertragspartners interessiert und haben auch ein Interesse daran, dass viele Arbeitgeber Mitglied im Verband sind. Die Folge ist, dass im Fall des Abschlusses eines Firmentarifvertrages bei einem verbandsangehörigen Arbeitgeber andere Tarifbestimmungen als für die übrigen Verbandsmitglieder gelten. Es gibt aber gute Gründe dafür, betriebsspezifische Tarifregelungen zu schaffen. Sie sind nicht nur vertretbar und allgemein üblich, sondern geradezu geboten (Wendeling-Schröder, NZA 1998, 624, 628 f.; Kempen, § 4 Rn 407).

 

Rz. 44

Auch ein Streik, den die Gewerkschaft nicht zum Abschluss eines Firmentarifvertrages mit einem verbandsangehörigen Arbeitgeber, sondern eines auf den Betrieb dieses Arbeitgebers bezogenen Verbandstarifvertrages führt, ist zulässig (BAG v. 24.4.2007 – 1 AZR 252/06, DB 2007, 1924; BAG v. 10.12.2002, NZA 2003, 734). Ein solches Streikziel ist von Art. 9 Abs. 3 GG gedeckt.

 

Rz. 45

Bloße Verhandlungen über eine bestimmte Tarifforderung begründen weder eine auf ihren Gegenstand bezogene Friedenspflicht, noch sind Kampfmaßnahmen zur Herbeiführung gerade des erstrebten Flächentarifabschlusses und gleichzeitige Kampfmaßnahmen zur Herbeiführung abweichender Regelungen in einem firmenbezogenen Verbandstarifvertrag gesperrt (BAG v. 24.4.2007 – 1 AZR 252/06, DB 2007, 1924). Auch das Gebot der Kampfparität ist durch die Gleichzeitigkeit der Verhandlungen nicht verletzt (BAG v. 24.4.2007 1 AZR 252/06, DB 2007, 1924).

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