Rz. 32
Die Gründe für einen rechtswidrigen Streik sind vielfältig. Zu denken ist an eine Verletzung der Friedenspflicht oder daran, dass das Streikziel tariflich nicht regelbar ist, dass es sich um einen politischen Streik oder Proteststreik handelt, dass der Streik nicht von einer Gewerkschaft getragen ist oder dass es zu Exzessen einzelner Streikwilliger kommt.
Rz. 33
Bei rechtswidrigen Streikmaßnahmen wird dem Arbeitgeber ggü. der Gewerkschaft ein Unterlassungsanspruch gewährt. Der Unterlassungsanspruch wird begründet mit einer Verletzung der Friedenspflicht und/oder der Verletzung des sog. Rechtes am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, wie es in § 823 Abs. 1 BGB als sonstiges Recht garantiert ist (BAG v. 10.12.2002 – 1 AZR 96/02, AuR 2004, 149).
Rz. 34
Der Arbeitgeber kann dann von der Gewerkschaft verlangen, dass sie nicht zu rechtswidrigen Streiks aufruft oder sie trägt. Des Weiteren kann ein Unterlassungsanspruch auch dazu genutzt werden, dass es zu einer Einwirkung auf Funktionäre und Mitglieder kommt, einzelne rechtswidrige Streikhandlungen zu unterlassen. Allerdings besteht kein Unterlassungsanspruch, wenn diese Streikhandlungen nicht von der Gewerkschaft geplant sind. Anders soll die Rechtslage zu beurteilen sein, wenn die Gewerkschaft trotz Kenntnis nichts gegen eine rechtswidrige Handlung unternimmt (BAG v. 21.6.1988 – 1 AZR 651/86, DB 1988, 1952; BAG v. 8.11.1988, DB 1989, 1087). Der Unterlassungsanspruch kann durch eine gerichtliche Klage verfolgt werden. Meistens sind dafür aber einstweilige Verfügungsverfahren notwendig.
Rz. 35
Unabhängig vom Unterlassungsanspruch kommt auch ein Anspruch auf Schadensersatz infrage. Dieser setzt allerdings Verschulden voraus. Bei schwieriger Rechtslage kann dies unterschiedlich zu beurteilen sein. Das BAG hat ursprünglich eine Art Gefährdungshaftung zulasten der Gewerkschaften angenommen (BAG v. 31.10.1958, AuR 1959, 339). Mittlerweile sieht das BAG auch die Möglichkeit eines entschuldbaren Rechtsirrtumes bei einer schwierigen Rechtslage (BAG v. 21.3.1978 – 1 AZR 11/76, DB 1978, 1647). In seiner Entscheidung vom 4.10.2012 (EuGH NJW 2013, 361) stellt der EuGH einmal mehr klar, dass im Falle von Ausgleichszahlungen von Fluggesellschaften an ihre Kunden aufgrund streikbedingt ausgefallener Flüge die Gewerkschaft dann gegenüber der Fluggesellschaft hafte, wenn der Streik rechtswidrig war. Dagegen soll bei einem rechtmäßigen Arbeitskampf keine Ersatzpflicht bestehen (BGH NJW 2013, 374). Des Weiteren ist für das Bestehen von Schadensersatzansprüchen die unmittelbare Kampfbetroffenheit des möglichen Geschädigten entscheidend: Bei einem Streik folgt die unmittelbare Kampfbetroffenheit des Arbeitgebers aus dem Streikaufruf der Gewerkschaft. Mit dem Streikaufruf an sich wird aber nicht in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eines kampfunbeteiligten Unternehmens eingegriffen. Wenn die Gewerkschaft der Flugsicherung zu einem Streik gegen den Arbeitgeber der Fluglotsen aufruft, so ist daraus keine unmittelbare Kampfbetroffenheit der einzelnen Fluggesellschaften zu folgern (BAG v. 25.8.2015 – 1 AZR 754/13). Der mittelbare Schaden drittbetroffener Unternehmen infolge eines Streiks gegen ein anderes Unternehmen ist von der streikenden Gewerkschaft nicht zu ersetzen, wenn kein zielgerichteter Eingriff in dessen Gewerbebetrieb festzustellen ist (BAG v. 25.8.2015 – 1 AZR 875/13).
Rz. 36
Bei der Ermittlung der Höhe des Schadens ist zu berücksichtigen, dass der Produktionsausfall als solcher eigentlich keinen Schaden darstellt. Dies ist auch anzunehmen bei einem Streik für nutzlose Aufwendungen (BAG v. 5.3.1985, AuR 1996, 220). Der entgangene Gewinn kann allerdings einen Schaden begründen, wenn eine Differenz zwischen den entgangenen Einnahmen und den konkret ersparten Kosten für solche Güter bleibt, die zu kostendeckenden Preisen hätten verkauft werden können. Der Schaden kann allerdings entfallen, wenn die Produktion nachgeholt wird. Schließlich kann ein Mitverschulden des Arbeitgebers einen Schadensersatzanspruch nach § 254 BGB mindern (BAG v. 20.12.1963, AuR 1964, 377).
Rz. 37
Auch der Arbeitgeberverband kann Unterlassung rechtswidriger Streiks verlangen (BAG v. 26.4.1988, AuR 1990, 1998).
Rz. 38
Der einzelne Arbeitgeber könnte ebenso vom Arbeitnehmer Schadensersatz verlangen. Dabei ist aber zu beachten, dass ein gewerkschaftlich geführter Streik die Vermutung der Rechtmäßigkeit in sich trägt (BAG v. 19.6.1973, AuR 1973, 278). Diese Rspr. ist mittlerweile zu einem Entschuldigungsgrund modifiziert worden (BAG v. 29.11.1983 – 1 AZR 469/82, DB 1984, 1147).
Rz. 39
Dem Arbeitgeber kommt aber bei rechtswidrigen Arbeitskampfmaßnahmen ein Kündigungsrecht zu. Dabei kann der Arbeitgeber auch einzelne Arbeitnehmer herausgreifen, allerdings nur bis zur Grenze der Willkürlichkeit (BAG v. 21.10.1969, AuR 1969, 279; Kissel, Arbeitskampfrecht, § 47 Rn 80 ff.; BAG v. 14.2.1978, DB 1978, 1403). Dabei wird dem Arbeitgeber zusätzlich bei rechtswidrigen Arbeitskampfmaßnah...