Rz. 15
Die Verfassungsbeschwerde kann grds. erst nach Erschöpfung des Rechtswegs erhoben werden, § 90 Abs. 2 BVerfGG. Unter bestimmten Voraussetzungen sind jedoch Ausnahmen möglich, § 90 Abs. 2 S. 2 BVerfGG; so besteht die Pflicht zur Anrufung der Fachgerichte ausnahmsweise dann nicht, wenn die angegriffene Regelung die Beschwerdeführenden zu Dispositionen zwingt, die später nicht mehr korrigiert werden können; auch ist die Durchführung des Hauptsacheverfahrens ausnahmsweise unzumutbar und entbehrlich, sofern dies im Hinblick auf die Rechtsprechung der Fachgerichte aussichtslos erscheint und wenn Grundrechtsverletzungen geltend gemacht werden, die sich spezifisch auf das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes beziehen. Rechtsweg ist dabei jede Möglichkeit, vor einem Gericht eine Beseitigung des angeblich grundrechtswidrigen Hoheitsakts geltend zu machen. Zum Rechtsweg gehört nicht die Einlegung einer ggf. nach Landesverfassungsrecht möglichen Verfassungsbeschwerde zu einem Landesverfassungsgericht. Der Beschwerdeführer muss zunächst alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreifen, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erwirken, und auch dort schon die verfassungsrechtlichen Rügen vortragen. Auch vor Erhebung einer Rechtssatzverfassungsbeschwerde müssen grundsätzlich die Fachgerichte mit dem Anliegen befasst werden. Jedenfalls ist von allen gesetzlich zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfen im fachgerichtlichen Verfahren Gebrauch zu machen (z.B. auch Befangenheitsantrag, Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Antrag auf Wiederaufnahme bzw. Fortsetzung des Verfahrens, Nichtigkeitsklage, Untätigkeitsklage etc.), und zwar auch bei nicht befristeten fachgerichtlichen Rechtsbehelfen innerhalb der für das Verfassungsbeschwerdeverfahren geltenden Monatsfrist (!), damit vorrangig die Fachgerichte Rechtsschutz gegen Verfassungsverletzungen gewähren – das gilt auch bei nur kurzfristiger Geltung einer Norm – und etwaige, im Instanzenzug auftretende Fehler durch Selbstkontrolle beheben können; deshalb ist auch dann eine Anhörungsrüge zu erheben, wenn das Fachgericht in diesem Verfahren auch andere Grundrechtsverletzungen beseitigen kann. Die für die Beurteilung der behaupteten Grundrechtsverletzungen maßgeblichen Argumente und Fragen müssen jedenfalls überhaupt schon Gegenstand eines fachgerichtlichen Verfahrens gewesen sein, bspw. auch über einen Abänderungsantrag nach § 80 Abs. 7 VwGO. Unter Umständen ist vor Einlegung einer Verfassungsbeschwerde auch eine (negative) (Fortsetzungs-)Feststellungsklage zu erheben oder ein Antrag auf Urteilsergänzung gem. § 321 ZPO oder ein Feststellungsantrag gem. § 119a Abs. 1 S. 1 StPO zu stellen oder eine Beschwerde nach § 58 FamFG einzulegen. Bei Untätigkeit des Fachgerichts bzw. überlanger Verfahrensdauer sind zunächst eine Verzögerungsrüge und eine Entschädigungsklage gem. §§ 198 Abs. 1, 201 GVG zu erheben. Diese Obliegenheit, zunächst die Fachgerichte zu befassen, entfällt auch dann nicht, wenn die Fachgerichte der gerügten Grundrechtsverletzung nicht selbst abhelfen können, sondern zur Beseitigung des gerügten Verfassungsverstoßes nur durch eine Vorlage zum Bundesverfassungsgericht gem. Art. 100 Abs. 1 GG beitragen können. Der Instanzenzug muss durchlaufen sein; so muss z.B. die Zulassung der Berufung beantragt sowie gegen die Nichtzulassung der Revision erfolglos Beschwerde eingelegt oder die Revision beantragt worden sein, sofern ein Revisionsgrund ersichtlich ist. Auch bei Zweifeln über dessen Zulässigkeit ist von einem Rechtsbehelf Gebrauch zu machen; dann ist die Verfassungsbeschwerde auch dann noch zulässig, wenn sich der Rechtsbehelf später als unzulässig erweist.
Rz. 16
Möchte der Beschwerdeführer der Sache nach eine Verletzung des Anspruches auf rechtliches Gehör durch die fachgerichtliche Entscheidung rügen, dann ist zwingend vor der Erhebung einer Verfassungsbeschwerde noch im fachinstanzlichen Verfahren bei dem Fachgericht eine Anhörungsrüge gem. § 321a ZPO, § 152a VwGO, § 178a SGG, § 78a ArbGG, § 44 FamFG, § 133a FGO, §§ 33a, 356a StPO zu erheben, und zwar binnen der dafür geltenden Zwei-Wochen-Frist bzw. binnen einer Woche bei § 356a StPO. Unterbleibt die Anhörungsrüge, ist die Verfassungsbeschwerde nicht nur hinsichtlich der Rüge einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, sondern insgesamt unzulässig. Dies gilt auch, sofern der Beschluss über die Zurückweisung der Anhörungsrüge nicht fristgerecht an das Bundesverfassungsgericht vorgelegt wird. Wird die Rüge einer Gehörsverletzung weder ausdrücklich noch der Sache nach zum Gegenstand der Verfassungsbeschwerde gemacht oder wird die zunächst erhobene Anhörungsrüge wieder zurückgenommen, so hängt die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde nicht von der vorherigen Durchführung eines fachgerichtlichen Anhörungsrügeverfahrens ab; dann muss die Verfassungsbeschwerde bi...