Dipl.-Kfm. Michael Scherer
Rz. 32
Nicht nur dem Anfänger, sondern häufig auch dem Fortgeschrittenen macht es Schwierigkeiten, bestimmte Vorschriften des RVG zu unterscheiden. Es handelt sich dabei um die folgenden Gebührenvorschriften:
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§ 34 RVG: Rat, Auskunft, Erstberatung (speziell bei Beratungshilfe: Beratungsgebühr nach Nr. 2501 VV RVG) |
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Nr. 2300 VV RVG: Geschäftsgebühr (speziell bei Beratungshilfe: Geschäftsgebühr nach Nr. 2503 VV RVG) |
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Nr. 2301 VV RVG: Geschäftsgebühr für einfache Schreiben |
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Nr. 3101 Ziff. 1 VV RVG: Vorzeitige Beendigung des Auftrags |
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Nrn. 3403, 3404 VV RVG: Verfahrensgebühr für sonstige Einzeltätigkeiten, einfache Schreiben |
Rz. 33
Diese sehr unterschiedlichen Gebührenvorschriften sollen an dieser Stelle gegeneinander abgegrenzt werden. Wichtiges Abgrenzungskriterium ist dabei die Stellung dieser Bestimmungen im RVG. Die genannten Vorschriften stehen einmal im Teil 2 und andererseits im Teil 3, Abschnitte 1 und 4 des Vergütungsverzeichnisses des RVG. Jene in diesem Zusammenhang wesentlichen Abschnitte müssen wir uns einmal in folgender Übersicht kurz ansehen.
Fundstelle im RVG |
Überschrift/Inhalt |
Abschnitt 5 des Gesetzesteils |
Außergerichtliche Beratung und Vertretung Daraus, dass die Beratungsgebühr (§ 34 RVG) unter der Überschrift "Außergerichtlich" steht, folgt, dass diese Gebühr für jeden Rat und jede Auskunft über sämtliche Rechtsgebiete Anwendung findet, aber nicht anwendbar ist, wenn der Auftrag für ein gerichtliches Verfahren besteht. |
Teil 2 des Vergütungsverzeichnisses |
Außergerichtliche Tätigkeiten … In diesem Teil ist die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG oder auch nach Nr. 2301 VV RVG enthalten, woraus folgt, dass diese Gebühr meistens nur dann erhoben wird, wenn der Auftrag auf außergerichtliche Erledigung der Angelegenheit lautet. |
Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses |
Gebühren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und in ähnlichen Verfahren Dieser Teil bestimmt u. a. die Gebühren im Zivilprozess, im Mahnverfahren und in der Zwangsvollstreckung, also auch die Gebühren von in der ZPO geregelten Verfahren. Die Vorschriften aus diesem Teil dürfen nur für die dort angegebenen Verfahren herangezogen werden. In diesem Teil ist die Verfahrensgebühr in Nr. 3100 und Nr. 3101 Ziff. 1 VV RVG normiert, die immer dann als allgemeine Betriebsgebühr entsteht, wenn der RA Auftrag zur Führung eines Zivilprozesses hat. Auch die Verfahrensgebühr für das Betreiben des Mahnverfahrens findet sich in diesem Teil in Nr. 3305 bzw. Nr. 3306 VV RVG. Weiterhin enthält dieser Teil die Gebühren für die Zwangsvollstreckung (Nrn. 3309 und 3310 VV RVG) und die Verfahrensgebühr für sonstige Einzeltätigkeiten in Nr. 3403 und Nr. 3404 VV RVG. |
Rz. 34
Mit der Stellung der betreffenden Gebührenvorschrift im RVG ist eigentlich bereits der Zweck ihrer Anwendung erkennbar. Insofern lässt sich bereits durch Kenntnis des Gesetzesteils, in dem die betreffende Vorschrift enthalten ist, die Frage teilweise beantworten: "Wie wende ich den § 34 RVG und die Nummern 2300, 2301, 3101, 3403, 3404 des Vergütungsverzeichnisses des RVG richtig an?"
Das Problem soll mit der folgenden Übersicht zur Abgrenzung der einzelnen Gebührenbestimmungen gelöst werden:
Gebührenvorschrift |
Erläuterung |
Beratungsgebühr |
Die Beratungsgebühr (Ratgebühr, § 34 RVG) entsteht nur für außergerichtliche Beratung für jeden Rat und jede Auskunft über sämtliche Rechtsgebiete, also z. B. für einen zivil-, verwaltungs- oder strafrechtlichen Rat. Jedoch darf der Rat nicht mit einer anderen gebührenpflichtigen Tätigkeit zusammenhängen, was bedeutet, dass es bei der Raterteilung verbleiben muss und der RA keinen Auftrag zur Geschäftsbesorgung haben darf. Sobald nach einer Raterteilung der RA den Auftrag erhält, in der Sache über die Beratung hinaus tätig zu werden, muss für diese Tätigkeit eine Betriebsgebühr erhoben werden, auf die dann die Beratungsgebühr anzurechnen ist (§ 34 Abs. 2 RVG). Zielt der Auftrag von vornherein auf eine Geschäftsbesorgung, so kann eine Beratungsgebühr gar nicht erst erwachsen. Fazit: Die Beratungsgebühr wird nur dann erhoben, wenn es bei der Raterteilung verbleibt. Bei Beratungshilfe gibt es eine spezielle Beratungsgebühr in Nr. 2501 VV RVG. |
Geschäftsgebühr |
Die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG ist die Betriebsgebühr für das Betreiben eines außergerichtlichen Geschäfts. Der Auftrag geht über eine bloße Rat- oder Auskunftserteilung hinaus, zielt aber in der Regel nicht auf die Führung eines gerichtlichen Verfahrens. Die verminderte Geschäftsgebühr nach Nr. 2301 VV RVG entsteht unter den gleichen Voraussetzungen, wenn jedoch kein Geschäft zu betreiben, sondern lediglich ein einfaches Schreiben zu fertigen ist. Fazit: Eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG entsteht in der Regel für das nur außergerichtliche Betreiben eines Geschäfts, wenn das Geschäft über das bloße Fertigen eines Schreibens hinausgeht. Ist nur ein einfaches Schreiben zu fertigen, ist die Geschäftsgebühr nach Nr. 2301 VV RVG einschlägig. Bei Beratungshilfe gilt eine spezielle Geschäftsgebühr nach Nr. 25... |