Rz. 87
Obwohl es nicht selten ist, dass ein Bauträger Insolvenz anmelden muss, bevor das Objekt mangelfrei fertiggestellt ist, sind viele der daraus resultierenden Fragen umstritten und undurchsichtig. Die folgenden Ausführungen können deshalb nur einen Überblick geben. Der Ablauf eines Insolvenzverfahrens über das Vermögens des Bauträgers wird unten (→ § 12 Rdn 67) unter dem Gesichtspunkt der Auswirkungen auf die Stellung als Miteigentümer in groben Zügen dargestellt; nachfolgend geht es um die Rechte der Erwerber in Bezug auf die Fertigstellung bzw. die Beseitigung von Baumängeln.
Rz. 88
Als erste und entscheidende Weichenstellung muss der Insolvenzverwalter sich dazu erklären, ob er die Erfüllung des Bauträgervertrags wählt. Grundlage ist § 103 InsO:
Zitat
"(1) Ist ein gegenseitiger Vertrag zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner und vom anderen Teil nicht oder nicht vollständig erfüllt, so kann der Insolvenzverwalter anstelle des Schuldners den Vertrag erfüllen und die Erfüllung vom anderen Teil verlangen. (2) Lehnt der Verwalter die Erfüllung ab, so kann der andere Teil eine Forderung wegen der Nichterfüllung nur als Insolvenzgläubiger geltend machen. Fordert der andere Teil den Verwalter zur Ausübung seines Wahlrechts auf, so hat der Verwalter unverzüglich zu erklären, ob er die Erfüllung verlangen will. Unterlässt er dies, so kann er auf der Erfüllung nicht bestehen."
Rz. 89
Muster 5.6: Schreiben an den Insolvenzverwalter:
Muster 5.6: Schreiben an den Insolvenzverwalter:
Ich fordere Sie zur Erklärung gem. § 103 Abs. 2 InsO auf, ob Sie den mit meinen Mandanten bestehenden Bauträgervertrag vom 27.12.2020 erfüllen werden oder dies ablehnen. Dem Eingang Ihrer Antwort sehe ich bis zum 10.1.2022 entgegen.
Rz. 90
Wählt der Insolvenzverwalter die Erfüllung, muss er Baumängel beseitigen und das Objekt fertigstellen. Denn bei den Ansprüchen auf Mangelbeseitigung handelt es sich um ausstehende Teilleistungen i.S.v. § 103 InsO. Durch die Erfüllungswahl erlangen die Mangelbeseitigungsansprüche die Qualität von originären Masseforderungen. Einzelne Eigentümer – oder nach entsprechender Beschlussfassung die Gemeinschaft – können die Mängelrechte geltend machen und bspw. eine Kostenvorschussklage erheben. Weil sich die Fertigstellung meistens nicht rechnet (sonst hätte, vereinfacht gesagt, der Bauträger nicht Insolvenz anmelden müssen), lehnt der Insolvenzverwalter die Erfüllung meistens ab. Manchmal kommt es aber im Zusammenwirken mit der finanzierenden Bank trotzdem noch zu einer Fertigstellung.
Rz. 91
Lehnt der Insolvenzverwalter – wie üblich – die Erfüllung ab, können die Erwerber keine (Nach)-Erfüllung von ihm verlangen, sondern gem. § 103 Abs. 2 InsO nur noch Schadensersatzforderungen geltend machen, die zur Tabelle anzumelden wären. Den mit der Anmeldung verbundenen Aufwand kann man sich aber sparen, weil i.d.R. keine nennenswerte Zahlung (Quote) herauskommt (→ § 12 Rdn 78). Der Insolvenzverwalter wird seinerseits versuchen, etwaige Einbehalte bei den Erwerbern anzufordern. Die Erwerber müssen den Wert der bislang erbrachten Bauleistungen bezahlen; über die Bewertung wird man trefflich streiten können. Die Erwerber können der Vergütungsforderung aber die bei Insolvenzeintritt schon vorhandenen Baumängel entgegenhalten. Zwar besteht kein Zurückbehaltungsrecht mehr (weil die ein Zurückbehaltungsrecht rechtfertigenden Erfüllungsansprüche durch die Insolvenz weggefallen sind), die Erwerber können aber mit den mangelbedingten Gegenansprüchen aufrechnen. "§ 95 Abs. 1 Satz 3 InsO schließt die Aufrechnung des Insolvenzgläubigers mit einem während des Insolvenzverfahrens fällig gewordenen Schadensersatzanspruch auf Ersatz der Mängelbeseitigungskosten gegen den vorher fällig gewordenen Werklohnanspruch des Insolvenzschuldners nicht aus." Jeder Erwerber hatte im Zeitpunkt des Insolvenzeintritts ein Zurückbehaltungsrecht und einen Kostenvorschussanspruch in Höhe der Mangelbeseitigungskosten. Der Kostenvorschussanspruch wandelt sich infolge der Insolvenz gem. § 103 Abs. 2 InSO in einen Schadensersatzanspruch um, mit dem jeder Erwerber gegenüber dem Insolvenzverwalter aufrechnen kann. Das erscheint zunächst "unlogisch", da die Aufrechnung gegenüber dem Bauträger mangels Gegenseitigkeit nicht möglich gewesen wäre (→ § 5 Rdn 85), ist als Folge der Insolvenz aber sachlich richtig und entspricht der oben zitierten BGH-Rspr. Allerdings wird man in diesem Fall die Aufrechnung nicht in voller Höhe der Mangelbeseitigungskosten, sondern nur in Höhe der auf den einzelnen Erwerber entfallenden, seinem Miteigentumsanteil entsprechenden Quote zulassen. Teilweise wird vertreten, dass der Erwerber zur Auskehrung des aufgerechneten Betrags an die Gemeinschaft verpflichtet sein soll; dafür gibt es aber keinen rechtlichen Grund, im Gegenteil. Der Erwerber muss sich später entsprechend seinem Miteigentumsanteil an den gemeinschaftlichen Mangelbeseitigungskosten beteiligen; genau hierfür muss er den durch Aufre...