Dr. iur. Kerstin Diercks-Harms, Dr. iur. Rüdiger Brodhun
Rz. 18
Wenn die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 BGB eine Frist gehemmt oder durch eine Zustellung eine Frist gewahrt werden soll, tritt diese Wirkung bereits mit dem Eingang des Antrags bzw. der Erklärung ein, wenn die Zustellung "demnächst" erfolgt, § 167 ZPO. Dies erfordert nach höchstrichterlicher Rechtsprechung anwaltliche Sorgfalt:
Zitat
"Der Partei sind jedoch solche nicht nur geringfügigen Verzögerungen zurechenbar, die sie oder ihr Prozessbevollmächtigter (§ 85 Abs. 2 ZPO) bei gewissenhafter Prozessführung hätten vermeiden können. Verzögerungen sind mithin dann zurechenbar, wenn die Partei oder ihr Prozessbevollmächtigter durch nachlässiges – auch leicht fahrlässiges – Verhalten zu einer nicht bloß geringfügigen Zustellungsverzögerung beigetragen haben. Maßgeblich ist hierbei, um wie viele Tage sich der für die Zustellung der Klage ohnehin erforderliche Zeitraum infolge der Nachlässigkeit verzögert hat. Dem Zustellungsveranlasser zuzurechnende Verzögerungen von bis zu vierzehn Tagen, gerechnet vom Tag des Ablaufs der Verjährungsfrist, sind regelmäßig geringfügig und bleiben deshalb außer Betracht."
Rz. 19
Wenn durch die Zustellung eines Mahnbescheids eine solche Wirkung herbeigeführt werden soll, tritt diese mit der Antragseinreichung (Anbringung des Mahnbescheidsantrags) ein. Wird der Antrag zurückgewiesen, muss der Gläubiger zur Wahrung der Frist, Hemmung usw. innerhalb eines Monats seit der Zustellung dieser Zurückweisung Klage einreichen. Diese muss dann "demnächst" zugestellt werden, § 691 Abs. 2 ZPO.
Rz. 20
Auch mit dem Einreichen des (erstmaligen) Prozess- oder Verfahrenskostenhilfeantrags tritt die Hemmung der Verjährung ein, wenn die Bekanntgabe "demnächst" nach Antragseinreichung veranlasst wird, § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB. Ähnliches gilt für die Veranlassung der Bekanntgabe eines Antrags, bei einer staatlich anerkannten Streitbeilegungsstelle oder ggf. auch einer anderen Streitbeilegungsstelle, § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB.
Rz. 21
Der Rechtsanwalt darf sich auf keinen Fall damit begnügen, seine Klage bzw. seinen Antrag fristgerecht eingereicht zu haben. Ihm obliegt gegenüber seinem Mandanten auch, dafür zu sorgen, dass die Zustellung nach § 167 ZPO tatsächlich "demnächst" erfolgen wird. Je nach der Einzelfallkonstellation muss er die für den Zustellungsveranlasser zumutbaren Maßnahmen ergreifen.
Die Zustellung einer Klage in einem anderen EU-Mitgliedstaat erfolgt "demnächst", wenn der Kläger sie mit einer durch das Gericht einzuholenden Übersetzung beantragt und den vom Gericht angeforderten Auslagenvorschuss unverzüglich einzahlt.
Rz. 22
§ 167 ZPO sieht keine absolute zeitliche Obergrenze vor. Im Einzelfall können – unter Abwägung der Interessen der beteiligten Parteien – sogar mehrere Monate genügen. Nach der Rechtsprechung sind wertende Gesichtspunkte entscheidend. Maßgebend sind außer den zumutbaren Schritten des Zustellungsveranlassers die etwaig entgegenstehenden, schutzwürdigen Belange des Gegners gegenüber einer Rückwirkung.
Rz. 23
Vorsicht ist bei einem Antrag auf öffentliche Zustellung der Klageschrift geboten: Ist diese unwirksam, weil ihre Voraussetzungen (für das bewilligende Gericht erkennbar) nicht vorgelegen haben, wird die Verjährung nicht gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt.
Rz. 24
Sollte eine Verzögerung darauf zurückzuführen sein, dass der Gerichtskostenvorschuss verspätet eingezahlt wird, kann schon in einem engen zeitlichen Rahmen eine Demnächst-Zustellung nach §§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, 167 ZPO abzulehnen sein, so wenn der Verzögerungszeitraum mehr als 14 Tage beträgt, nach letzter höchstrichterlicher Rechtsprechung hat der Kläger regelmäßig sogar nur eine Woche Zeit, um den Gerichtskostenvorschuss einzuzahlen, jedenfalls wenn es sich nicht um eine beträchtliche Höhe handelt.
Rz. 25
Eine schuldhaft falsche Mitteilung der Anschrift des Beklagten kann einer Klagezustellung als "demnächst" entgegenstehen. Dasselbe gilt auch für die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Prozesskostenhilfe. Eine fehlende Streitwertangabe nach § 253 Abs. 3 Nr. 2 ZPO ist unschädlich, wenn eine Rückfrage des Gerichts innerhalb von 14 Tagen beantwortet wird. Die Zustellung einer Klage erfolgt noch "demnächst", wenn der Kläger innerhalb von 14 Tagen nach Zugang der Gerichtskostenanforderung und Ablauf einer angemessenen Erledigungsfrist einen Prozesskostenhilfeantrag stellt, sofern sich nach Zugang der Vorschussrechnung ergibt, dass eine zunächst zuverlässig zugesagte Prozessfinanzierung durch einen Dritten nicht zustande kommt.
Rz. 26
Zustellungsverzögerungen, die dem Gericht zuzuschreiben sind, sind dem Zustellungsbetreiber zunächst nicht anzulasten. Wurde der Kostenvorschuss verfahrenswidrig nicht von der klagenden Partei selbst, sondern über deren Anwalt angefordert, ist die damit einhergehende – der Partei nicht zuzurechnende – Verzögerung im Allgemeinen mit drei Werktagen zu veranschlagen. Jedoch muss sich der Rechtsanwalt be...