Dr. Michael Pießkalla, Gesine Reisert
Rz. 58
Die Teilnahme am Straßenverkehr nach Einnahme von Betäubungsmitteln und anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen hat in der Vergangenheit zugenommen. Dieser Sachverhalt ist häufig auch gegeben in Verbindung mit Alkohol. Nach Dronkovic sind in Bezug auf Drogenkonsum verschiedene Fragen zu klären, nämlich:
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Liegt nur Besitz von Drogen vor oder wurden diese eingenommen? |
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Welche Drogen wurden konsumiert? |
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Handelt es sich um einen singulären Konsum im Probierstadium? |
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Wurde unter Drogeneinfluss ein Kraftfahrzeug genutzt? |
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Liegen wiederholte Delikte im Zusammenhang mit Drogen vor? |
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Sind Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit oder Persönlichkeitsstörungen zu beobachten? |
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Besteht eine Neigung zum kombinierten Konsum von Drogen und Alkohol? |
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Liegt ein Gebrauch unterschiedlicher Drogen vor? |
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Ist der Betroffene drogenabhängig? |
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Hat er schon einmal eine Entwöhnungsbehandlung wegen Drogenmissbrauchs absolviert? |
Rz. 59
Gem. § 14 Abs. 1 S. 2 FeV kann die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens angeordnet werden, wenn der Betroffene Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes widerrechtlich besitzt oder besessen hat. Hierdurch soll ermittelt werden, ob es zum Konsum gekommen ist. Denn bereits die (einmalige) nachgewiesene Einnahme von Betäubungsmitteln schließt die Fahreignung (unwiderlegbar) aus. Liegen Tatsachen vor, welche die Annahme begründen, dass Abhängigkeit von Betäubungsmitteln, die Einnahme von Betäubungsmitteln oder die missbräuchliche Einnahme von psychoaktiv wirkenden Arzneimitteln oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen vorliegt, erfolgt die Anordnung eines ärztlichen Gutachtens. Außerdem wird in Abs. 2 zusätzlich geregelt, dass eine MPU anzuordnen ist, wenn wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr gem. § 24a StVG begangen wurden, wobei die Regelung in § 13 Nr. 2 b unberührt bleibt. Diese (ergänzende) Regelung erfolgte, weil die wiederholte Verkehrszuwiderhandlung unter Alkoholeinfluss als maßgebender Umstand geregelt wurde, nicht jedoch in Bezug auf Drogen. Die Folge ist, dass bei Drogen auch derjenige zur MPU geladen werden kann, der einmal gegen § 24a StVG in Bezug auf Alkohol und einmal in Bezug auf Drogen verstoßen hat. Beides sollte nicht mehr getrennt werden.
Rz. 60
Die Regelungen zu Cannabis wurden im Jahr 2024 – als Folge der Teillegalisierung – in § 13a FeV ausgegliedert. Hiernach ordnet die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen an, dass
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ein ärztliches Gutachten (§ 11 Abs. 2 S. 3 FeV) beizubringen ist, wenn Tatsachen die Annahme von Cannabisabhängigkeit begründen (§ 13a Nr. 1 FeV), oder |
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ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn nach dem ärztlichen Gutachten zwar keine Cannabisabhängigkeit, jedoch Anzeichen für Cannabismissbrauch vorliegen oder sonst Tatsachen die Annahme von Cannabismissbrauch begründen (§ 13a Nr. 2 a FeV), wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Cannabiseinfluss begangen wurden (§ 13a Nr. 2 b FeV), die Fahrerlaubnis aus einem der unter § 13a Nr. 2 a oder b FeV genannten Gründen entzogen war (§ 13a Nr. 2 c FeV) oder sonst zu klären ist, ob Cannabismissbrauch oder Cannabisabhängigkeit nicht mehr besteht (§ 13a Nr. 2 d FeV). |
Der Konsum von Cannabis beeinträchtigt, solange keine Abhängigkeit und kein Missbrauch (fehlende Trennung von einem die Verkehrssicherheit beeinträchtigenden Konsum und Verkehrsteilnahme) vorliegen, die Fahreignung nicht mehr. Das gilt auch für regelmäßigen Konsum.
Rz. 61
Dass der Einzelfall auch im Falle von Betäubungsmittelkonsum stets zu bedenken ist, ergibt sich aus der Entscheidung des OVG Münster vom 1.4.2014 – 16 B 144/13, in der es heißt, dass "für Personen, die sich im sog. Methadon-Programm befinden, ungeachtet des Umstandes, dass Methadon zu den in der Anlage III zu § 1 des Betäubungsmittelgesetzes genannten Substanzen zählt, anerkannt ist, dass in Ausnahmefällen die Fahreignung gegeben sein kann." Auch Methadon zählt zu den in der Anlage III zu § 1 BtMG genannten Substanzen. So wird in den Begutachtungsleitlinien ausgeführt, dass derjenige, der als Heroinabhängiger mit Methadon substituiert werde, im Hinblick auf eine hinreichend beständige Anpassungs- und Leistungsfähigkeit in der Regel nicht geeignet sei, ein Kraftfahrzeug zu führen. In seltenen Ausnahmefällen ist jedoch – ausnahmsweise – eine positive Beurteilung möglich, wenn eine mehr als einjährige Methadonsubstitution, eine psychosoziale stabile Integration, die Freiheit von Beigebrauch anderer psychoaktiver Substanzen einschließlich Alkohol seit mindestens einem Jahr, nachgewiesen durch geeignete, regelmäßig stattfindende und zufällige Kontrollen (z.B. Urin, Haar) während der Therapie, der Nachweis für Eigenverantwortung und Therapie-Compliance sowie das Fehlen einer Störung der Gesamtpersönlichkeit, vorliegen.