Dr. Michael Pießkalla, Gesine Reisert
Rz. 51
Durch die Änderung der Anlage 4 Nr. 8.1 FeV im Jahr 2008 hat der Verordnungsgeber klargestellt, dass Alkoholmissbrauch im Zusammenhang mit dem Führen von Fahrzeugen zu sehen und nicht nur für den Kraftfahrzeugführer, sondern auch für andere Verkehrsteilnehmer von Bedeutung ist. Die Behörde wird deshalb die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens unter Berücksichtigung der Regelungen des § 11 FeV mit der Fragestellung vornehmen, ob zu erwarten steht, dass der Betroffene zukünftig ein Fahrzeug unter Alkohol führen wird. In diesen Fällen können sich aus einem ärztlichen Gutachten, das zur Abklärung einer Alkoholabhängigkeit angeordnet wurde, Informationen ergeben, die die Annahme rechtfertigen, dass der Untersuchte z.B. aufgrund eines unreflektierten Umgangs mit Alkohol zukünftig ein Fahrzeug unter Alkohol im Straßenverkehr führen wird. Ebenso können weitere Umstände herangezogen werden, beispielsweise wenn eine hohe Alkoholaufnahme in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Führen eines Fahrzeugs steht.
Die Frage der Eignung aufgrund Alkoholkonsums regelt die Anlage 4 in Nr. 8 wie folgt:
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Krankheiten, Mängel |
Eignung oder bedingte Eignung |
8. |
Alkohol |
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8.1 |
Missbrauch (Das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum kann nicht hinreichend sicher getrennt werden.) |
nein |
8.2 |
nach Beendigung des Missbrauchs |
ja, wenn die Änderung des Trinkverhaltens gefestigt ist |
8.3 |
Abhängigkeit |
nein |
8.4 |
nach Abhängigkeit (Entwöhnungsbehandlung) |
ja, wenn Abhängigkeit nicht mehr besteht und in der Regel ein Jahr Abstinenz nachgewiesen ist |
Hier wird also zwischen Alkoholmissbrauch (Definition in Nr. 8.1 vorgesehen) und Alkoholabhängigkeit unterschieden.
1. Abhängigkeit
Rz. 52
Im Gegensatz zur fahrerlaubnisrechtlichen Begrifflichkeit des Alkoholmissbrauchs basiert die Definition der Alkoholabhängigkeit auf der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen ICD-10 und hat entsprechende Berücksichtigung in den Begutachtungsleitlinien gefunden.
Maßgebend für die Klärung der Wiederherstellung der Eignung ist die Regelung gem. Nr. 8.4 der Anlage 4 zur FeV i.V.m. den Begutachtungs-Leitlinien.
Die sichere Diagnose "Abhängigkeit" kann nur nach den Diagnosekriterien, also nur gestellt werden, wenn während des letzten Jahres drei oder mehr der folgenden Kriterien gleichzeitig vorhanden waren:
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ein starker Wunsch oder eine Art Zwang, psychotrope Substanzen zu konsumieren; |
▪ |
verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und der Menge des Konsums; |
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ein körperliches Entzugssyndrom bei Beendigung oder Reduktion des Konsums nachgewiesen durch die substanzspezifischen Entzugssymptome oder durch die Aufnahme der gleichen oder einer nahe verwandten Substanz, um Entzugssymptome zu mildern oder zu vermeiden; |
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Nachweis einer Toleranz: um die ursprünglich durch niedrigere Dosen erreichten Wirkungen der psychotropen Substanz hervorzurufen, sind zunehmend höhere Dosen erforderlich (eindeutige Beispiele hierfür sind die Tagesdosen von Alkoholikern und Opiatabhängigen, die bei Konsumenten ohne Toleranzentwicklung zu einer schweren Beeinträchtigung oder sogar zum Tode führen würden); |
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fortschreitende Vernachlässigung anderer Vergnügen oder Interessen zugunsten des Substanzkonsums, erhöhter Zeitaufwand, um die Substanz zu beschaffen, zu konsumieren oder sich von den Folgen zu erholen; |
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anhaltender Substanzkonsum trotz Nachweises eindeutiger schädlicher Folgen, wie z.B. Leberschädigung durch exzessives Trinken, depressive Verstimmungen oder Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus infolge starken Substanzkonsums oder drogenbedingte Verschlechterung kognitiver Funktionen. Es sollte dabei festgestellt werden, dass der Konsument sich tatsächlich über Art und Ausmaß der schädlichen Folgen im Klaren war oder dass zumindest davon auszugehen ist. |
Von hohen Promillezahlen (> 3 ‰), ist auszugehen, sofern lediglich geringfügige Ausfallerscheinungen feststellbar sind oder wenn diese am Vormittag festgestellt werden, also auf eine erhebliche Gewöhnung schließen lassen. Aber auch die Hinweise aus Strafverfahren wie auch die Einlassungen der Betroffenen über ein ungewöhnliches oder abnormes Trinkverhalten, rechtfertigen den Verdacht einer Abhängigkeit.