a) Kein Auseinandersetzungsverbot
Rz. 125
Der Verweis auf § 743 BGB regelt die Verteilung der Früchte der Erbengemeinschaft. Hierunter sind sowohl die "Früchte" i.S.v. § 99 BGB als auch die "Nutzungen" i.S.v. § 100 BGB zu verstehen. Früchte von Nachlassgegenständen sind zunächst Gesamthandsvermögen der Erbengemeinschaft, §§ 953, 2041 BGB. Die Regelung, dass jedem Miterben ein "Anteil" der Früchte "gebührt", sagt somit ausschließlich etwas über die Beteiligung an vorhandenen Nutzungen. Die Voraussetzungen der Nutzungen werden jedoch durch die Entscheidung der Erbengemeinschaft geregelt. § 2038 Abs. 1 BGB ist eine Regelung für das Innen- nicht für das Außenverhältnis der Erbengemeinschaft. Wurde bspw. ein Nachlassgegenstand vermietet, so hat nicht etwa jeder Miterbe nun nach § 2038 Abs. 1 BGB gegen den Mieter einen eigenen Anspruch auf Zahlung des Mietzinses entsprechend seiner Erbquote. Der Anspruch des Miterben auf seinen Anteil an den Früchten und Nutzungen kann nicht durch Mehrheitsbeschluss ausgeschlossen werden, § 745 Abs. 3 S. 2 BGB.
Rz. 126
Die Teilung der Früchte unter den Miterben erfolgt gem. § 2038 Abs. 2 S. 2 BGB grundsätzlich erst bei der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft. Bis zur Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft (§§ 2042 ff. BGB) steht bei jedem Miterben lediglich seine Erbquote am Nachlass fest. Der konkrete Auszahlungsanspruch eines Miterben ergibt sich jedoch erst im Zeitpunkt der Auseinandersetzung, wenn die Schulden der Erbengemeinschaft getilgt und Ausgleichsansprüche der Miterben berücksichtigt worden sind. Aus diesem Grund verschiebt § 2038 Abs. 2 S. 2 BGB die Verteilung der Früchte bis zur Auseinandersetzung. So haben bspw. Mieteinnahmen bis zur Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft ebenso wie Zinserträge und Einkünfte eines Handelsgeschäftes u.Ä. beim Nachlass zu verbleiben und kein Miterbe hat einen Anspruch auf eine (Vorschuss-/Abschlags-)Zahlung. Die Miterben können sich nur einvernehmlich (nicht hingegen durch Mehrheitsbeschluss) hierüber hinwegsetzen, § 745 Abs. 3 S. 2 BGB. Ist ein derartiger Beschluss gefasst worden, so kann er daher auch nur einvernehmlich wieder aufgehoben werden. Einigen sich die Miterben abweichend von §§ 2038 Abs. 2, 743 BGB, dass lediglich ein Miterbe das Recht hat, die Früchte zu ziehen, so wird dieser Miterbe Träger der Rechte und Pflichten aus abgeschlossenen Mietverträgen: Er – und nicht die Erbengemeinschaft – muss die erzielten Erträge aus Vermietung und Verpachtung gem. § 21 Abs. 1 EStG versteuern.
Rz. 127
Beispiel (Lösung Frage 7 – Rdn 1)
K1 kann ohne Zustimmung von F und K2 keine vorgezogene Verteilung der Mieterträge verlangen – weder für die Vergangenheit noch künftig (siehe auch noch unten Rdn 128).
b) Auseinandersetzung länger als ein Jahr ausgeschlossen
Rz. 128
Der Ausschluss der Auseinandersetzung kann gem. §§ 2042 Abs. 2; 2045 BGB für einen längeren Zeitraum als ein Jahr ausgeschlossen werden oder sein. Für diesen Fall gewährt § 2038 Abs. 2 S. 3 BGB jedem Miterben das Recht, "am Schluss jeden Jahres die Teilung der Reinerträge zu verlangen". Die Jahresfrist ist seit dem Erbfall zu berechnen, Rechtsgedanke aus § 188 Abs. 2 BGB. Sie gilt nicht bereits, wenn lediglich ein Jahr seit dem Erbfall vergangen ist. Die bloße Verzögerung der Auseinandersetzung über ein Jahr hinaus genügt nicht; dies gilt auch, wenn die Verzögerung durch den leistungspflichtigen Miterben verschuldet wird. Erforderlich ist aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift, dass die Auseinandersetzung "ausgeschlossen" ist, mithin ein Fall der §§ 2042 Abs. 2, 2043, 2044 oder 2045 BGB vorliegt. Schwierigkeiten bereiten Verfügungen mit einem bei Eintritt des Erbfalls unbestimmten Ende des Verbots (z.B. Ausschluss der Auseinandersetzung bis eine bestimmte Person eine Berufsausbildung abgeschlossen hat oder eine bestimmte Person verstorben ist). Hier kann beim Erbfall noch nicht festgestellt werden, ob ein Fall des § 2038 Abs. 2 S. 3 BGB vorliegt. Es kann hier jedoch allein auf eine nachträgliche Betrachtungsweise ankommen: Ist seit dem Erbfall mehr als ein Jahr vergangen, und konnte die Erbengemeinschaft aufgrund eines kalendermäßig nicht bestimmbaren Auseinandersetzungsverbotes nicht auseinandergesetzt werden, so erwächst der Anspruch auf Teilung des Reinertrags. Eine Betrachtung "im Vorhinein" im Sinne einer "ex-ante-Beurteilung" verbietet sich, da es dann auf bloße Mutmaßungen ankäme.
Rz. 129
Fraglich ist jedoch, ob mit der Formulierung "am Schluss jedes Jahres" in § 2038 Abs. 2 S. 3 BGB der Schluss eines Kalenderjahrs, also jeweils der 31.12., gemeint ist oder ein Zeitraum von zwölf Monaten. Für die erste Möglichkeit sprechen praktische Erwägungen, da zum Ende eines Jahres ohnedies regelmäßig Abrechnungen zu erstellen...