Dr. iur. Christian Saueressig
Rz. 187
Der Richter kann den Sachverständigen mit der Erforschung eines Sachverhaltes beauftragen, z.B. Bremsproben zur Berechnung des Bremsweges einholen.
Der Sachverständige darf aber nicht – was jedoch häufig geschieht – auf eigene Faust Ermittlungen anstellen. Er darf z.B. bei einer Augenscheinnahme nicht auf Mängel hinweisen, die keine der streitenden Parteien behauptet hat.
Ein solches Verhalten rechtfertigt seine Ablehnung durch die Prozesspartei wegen Befangenheit, § 406 ZPO. Die Ablehnungsgründe sind mit einer Ausnahme (früherer Zeugenvernehmung, § 406 Abs. 1 S. 2 ZPO) dieselben wie bei einem Richter.
Die Ablehnung des Sachverständigen wegen Befangenheit kommt beispielsweise in Betracht,
▪ |
wenn er eine Partei nicht vom Besichtigungstermin benachrichtigt, |
▪ |
wenn er Informationen verwertet, die er von nur einer Partei hat, |
▪ |
wenn er eigene Ermittlungen anstellt, ohne hierzu vom Gericht bevollmächtigt zu sein, |
▪ |
wenn er in derselben Sache in einem Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung, wozu auch ein Verfahren vor der Gutachter- und Schlichtungsstelle einer Landesärztekammer zählt, als Sachverständiger mitgewirkt hat. |
OLG Celle OLGR 1996, 46:
Zitat
Der Sachverständige ist von der Mitwirkung im Verfahren ausgeschlossen, wenn er die Gegenpartei und das Gericht vor Übernahme des Auftrags nicht darauf hingewiesen hat, dass er für die antragstellende Partei einen umfangreichen Bauauftrag ausführt. Hat der Sachverständige schuldhaft nicht mitgeteilt, dass Gründe vorliegen, die die Besorgnis seiner Ablehnung wegen Befangenheit rechtfertigen könnten, so muss das Gericht prüfen, ob dem Sachverständigen überhaupt eine Entschädigung zu gewähren ist.
Die Ablehnung wegen Befangenheit kann auch noch nach Erstattung des Gutachtens erfolgen, wenn sie nicht früher möglich war, § 406 Abs. 2 S. 2 ZPO.
Die auf den Inhalt eines Gutachtens gestützte Ablehnung des Sachverständigen als befangen ist aber verspätet, wenn sie erst mehr als einen Monat nach Erhalt des Gutachtens erfolgt.
Rz. 188
Gelingt es dem Beweisgegner, den Sachverständigen durch Ablehnung wegen Befangenheit auszuschalten, hat der Beweisführer aber die Möglichkeit, zumindest die Wahrnehmungen des Sachverständigen aus einer Augenscheinnahme in den Prozess einzubringen.
Er kann nämlich den Sachverständigen als Zeugen benennen. Ein Zeuge kann im prozessrechtlichen Sinne nicht befangen sein.
Das Gericht hat ihn auf Antrag des Beweisführers als sachverständigen Zeugen über Tatsachen zu vernehmen, die ihm bei Durchführung des ihm erteilten Auftrages bekanntgeworden sind. Eine Anhörung des sachverständigen Zeugen zu dessen Schlussfolgerungen aus den wahrgenommenen Tatsachen muss allerdings unterbleiben.
Auf diese Weise kann also eine Partei versuchen, die ihr günstigen Feststellungen des Sachverständigen für den Rechtsstreit zu retten. Bei der Beweisaufnahme wird es dann ein Gerangel darum geben, inwieweit die Aussage Bekundung eines sachverständigen Zeugen oder nicht doch schon mündlich erstattetes Sachverständigengutachten ist.
Man beachte allerdings BGH NJW 2013, 3570:
Zitat
Ein (auch "sachverständiger") Zeugenbeweis ist ungeeignet und somit ein Sachverständigengutachten einzuholen, wenn es vorrangig nicht oder nicht nur um die Ermittlung der Befund- und Zusatztatsachen, sondern um die objektive Bewertung eines im Wesentlichen feststehenden Sachverhalts geht (hier: Echtheit einer auf einer Kunstauktion erworbenen Skulptur). Denn es ist nicht Aufgabe eines Zeugen, dem Gericht allgemeine Erfahrungssätze oder besondere Fachkenntnisse in einem Wissensgebiet zu vermitteln, jedenfalls wenn dem Gericht die notwendige eigene Sachkunde fehlt, um die Verlässlichkeit der Schlussfolgerungen des sachverständigen Zeugen selbst beurteilen zu können oder wenn eine eigene Auseinandersetzung mit dessen fachlichen Schlussfolgerungen fehlt.