Dr. iur. Christian Saueressig
Rz. 198
Öffentliche Urkunden sind solche von Behörden, auch vom Gerichtsvollzieher, Wachtmeister, Postbediensteten und Notar ausgestellte.
Sie erbringen vollen Beweis für die Richtigkeit des beurkundeten Vorgangs, § 415 ZPO, nicht jedoch für die Richtigkeit des Inhaltes der Urkunde. Hinsichtlich der Richtigkeit des beurkundeten Vorganges unterliegt die Urkunde nicht der freien Beweiswürdigung durch das Gericht; aber es kann nach § 415 Abs. 2 ZPO der Gegenbeweis geführt werden. Richtigkeit auch des Inhaltes bezeugt eine Urkunde i.S.d. § 417 ZPO, und zwar unwiderlegbar.
Der auf einem Schriftsatz aufgebrachte Eingangsstempel des Gerichts ist eine öffentliche Urkunde, vgl. BGH NJW 2017, 2285:
Zitat
Der auf einem Schriftsatz aufgebrachte Eingangsstempel des Gerichts erbringt als öffentliche Urkunde im Sinne des § 418 I ZPO Beweis dafür, dass ein in den Nachtbriefkasten des Gerichts eingeworfener Schriftsatz erst an dem im Stempel angegebenen Tag beim Berufungsgericht eingegangen ist. Hiergegen ist jedoch gem. § 418 II ZPO der im Wege des Freibeweises zu führende Gegenbeweis zulässig, der die volle Überzeugung des Gerichts von dem rechtzeitigen Eingang des Schriftsatzes erfordert.
Dabei dürfen wegen der Beweisnot der betroffenen Partei die Anforderungen an die Erbringung dieses Gegenbeweises nicht überspannt werden. Da der Außenstehende in der Regel keinen Einblick in die Funktionsweise des gerichtlichen Nachtbriefkastens sowie in das Verfahren bei dessen Leerung und damit keinen Anhaltspunkt für etwaige Fehlerquellen hat, ist es zunächst Sache des Gerichts, die insoweit zur Aufklärung nötigen Maßnahmen zu ergreifen.
Bei einer detaillierten Schilderung der Partei über die genauen Umstände des Einwurfs des Schriftstücks darf sich das Gericht nicht mit einer pauschal gehaltenen dienstlichen Stellungnahme des/der zuständigen Mitarbeiters/in der Poststelle begnügen, die sich in der Aussage erschöpft, es seien weder Störungen festgestellt, noch Fehler gemacht worden.
Die Rspr. lässt die urkundenbeweisliche Verwertung von Strafakten im Zivilprozess zu. Was eine solche Verwertung ihrer dogmatischen Einordnung nach ist, ist unklar. In der Praxis werden Beweiserhebung des Strafverfahrens (z.B. durch Zeugenvernehmung) so verwertet, wie wenn ein erstinstanzlicher Richter einen Zeugen vernimmt und das Berufungsgericht auf dessen Vernehmung seine Entscheidung stützt; Näheres zur Beiziehung eines Sachverständigengutachtens unter Rdn 186 ff., zur Verwertung von Zeugenaussagen aus einem Strafprozess unter Rdn 137 ff.