Dr. iur. Christian Saueressig
Rz. 60
Der Beklagte ist mit seinem Pkw auf gerader Strecke von der Fahrbahn gekommen und hat dadurch einen schweren Unfall verursacht. Der Kläger, den der Beklagte aus Gefälligkeit mitgenommen hatte, ist bei dem Unfall so schwer verletzt worden, dass er sogleich das Bewusstsein verloren hatte und deshalb zu dem Unfallverlauf im Einzelnen nichts sagen kann. Mit seiner Klage begehrt er von dem Beklagten Schadensersatz und Schmerzensgeld.
Der Kläger genügt seiner Darlegungs- und Substantiierungslast schon dann, wenn er zu dem Unfallverlauf nichts weiter vorträgt, als dass der Beklagte mit seinem Fahrzeug auf gerader Strecke von der Fahrbahn geraten ist und ihn dadurch verletzt hat.
Weil typischerweise ein solcher Unfall auf ein Verschulden des Fahrers zurückzuführen ist, gilt nicht nur ein Fahrfehler, sondern auch ein Verschulden des Beklagten als bewiesen.
Der Beklagte kann sich gegenüber dem Anspruch des Klägers nicht darauf berufen, er habe ihn lediglich aus Gefälligkeit mitgenommen, und es sei deshalb von einem stillschweigend vereinbarten Haftungsausschluss auszugehen. Ein solcher Haftungsausschluss wird zumindest für den Fall verneint, dass der Beklagte haftpflichtversichert ist.
Macht der Beklagte geltend, er sei nur deshalb von der Fahrbahn geraten, weil er einem Hasen habe ausweichen wollen, der unversehens vor ihm die Fahrbahn überquert habe, ist seine Einlassung unerheblich; denn es wird von einem Pkw-Fahrer verlangt, das Überfahren eines Hasen in Kauf zu nehmen, wenn sonst ein größerer Schaden droht. (Eine andere Frage ist, ob sein Verhalten im Verhältnis zur Kaskoversicherung als grob fahrlässig einzustufen ist.)
Beruft sich der Beklagte darauf, er sei nicht einem Hasen, sondern einem Rind (oder einem Fuchs) ausgewichen, könnte ihn dies entlasten. Der Kläger kann dieses Vorbringen aber gemäß § 138 Abs. 4 ZPO mit Nichtwissen bestreiten. Um den gegen ihn sprechenden Anscheinsbeweis zu erschüttern, müsste der Beklagte dann beweisen, dass das Rind über die Straße gelaufen ist; wenn auch nicht exakt den Abstand zu dem sich nähernden Fahrzeug. Kein ausreichendes Indiz wäre es, dass an dieser Stelle häufiger Rinder auf der Straße laufen. Aber immerhin könnte sich das Gericht veranlasst sehen, den Beklagten zu seinem eigenen Vorbringen gemäß § 448 ZPO (vgl. Rdn 164) zu vernehmen.
Trägt der Beklagte vor, der Kläger sei betrunken gewesen und habe ihm deshalb plötzlich ins Steuer gegriffen, reicht der Nachweis der Trunkenheit allein nicht aus, um den Anscheinsbeweis zu erschüttern; wohl aber kommt bei nachgewiesener Trunkenheit auch hier eine Vernehmung des Beklagten nach § 448 ZPO zu seinem eigenen Vorbringen in Betracht.