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Regelmäßig wird der Antragsgegner vorgerichtlich noch nicht durch einen Bevollmächtigten vertreten sein, weil bei streitigen Einwendungen aus Sicht des Antragstellers die Beantragung eines gerichtlichen Mahnverfahrens aufgrund des zu erwartenden Widerspruchs nicht zielführend ist. Anders kann es sich allerdings dann verhalten, wenn durch die Einleitung des Mahnverfahrens die Notwendigkeit eines Einigungsversuches vor einer Gütestelle umgangen werden soll, § 15a EGZPO.

War der Bevollmächtigte des Antragsgegners gleichwohl vorgerichtlich schon tätig und ist ihm die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG angewachsen, muss er sich diese nach Maßgabe der Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75, auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3307 VV RVG anrechnen lassen.

Die Besonderheit besteht darin, dass die 0,5-Verfahrensgebühr vollständig kompensiert wird, wenn die Geschäftsgebühr den Gebührensatz von 1,0 überschritten hat. Das wird der Regelfall sein. Dem Bevollmächtigten des Antragsgegners verbleibt demnach im gerichtlichen Mahnverfahren nur die Post- und Telekommunikationspauschale von bis zu 20,00 EUR nach Nr. 7002 VV RVG.

Da die anrechenbare Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG regelmäßig die 0,5-Verfahrensgebühr übersteigen wird, stellt sich die Frage, ob der überschießende Anteil auf die nachfolgende Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 bzw. 3101 VV RVG anzurechnen ist, wenn es tatsächlich zum Streitverfahren kommt. Die Rechtsprechung und Literatur nimmt dies an.[26] Wenn also eine 0,65-Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 i.V.m. der Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG auf die 0,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 3307 VV RVG anzurechnen ist, soll der nicht konsumierte 0,15-Anteil noch auf die nachfolgende 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG anzurechnen sein, so dass lediglich eine 1,15-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG verbleibt. Dies wird damit begründet, dass der Beklagtenvertreter anderenfalls mehr Gebühren erlangen kann, als der Klägervertreter. Dieses "Neidargument" überzeugt nicht. Maßgeblich ist, dass die Geschäftsgebühr nach der Vorbem. 3 Abs. 4 auf "die Verfahrensgebühr" (singular!) des gerichtlichen Verfahrens angerechnet wird. Das nachfolgende gerichtliche Verfahren ist das Mahnverfahren. Soweit eine weitergehende Anrechnung dort nach den absoluten Zahlen nicht möglich ist, ist der Anrechnungstatbestand erschöpft. Eine weitergehende Anrechnung ist im Erkenntnisverfahren vom Wortlaut der eng auszulegenden Anrechnungsvorschriften nicht gedeckt. Dass die Bevollmächtigten unterschiedliche Gebühren erhalten, ist nichts Ungewöhnliches. So kann die rechtliche Prüfung, ob und in welchem Umfang der geltend gemachte Anspruch besteht sowie Einwendungen geltend gemacht werden können und ein Widerspruch eingelegt werden soll, weit umfangreicher sein als die Beantragung eines Mahnbescheides bei noch nicht bekannten und geprüften Einwendungen. Trotzdem erhält der Bevollmächtigte des Antragstellers eine 1,0-Verfahrensgebühr, während der Bevollmächtigte des Antragsgegners nur eine 0,5-Verfahrensgebühr erhält.

[26] OLG Köln AGS 2009, 476; OLG Hamburg JurBüro 1977, 375; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, Vorbem. 3 Rn 315.

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