Rz. 46
Ein eigener selbstständiger Willensakt des Geschädigten schließt es nicht aus, demjenigen die Schadensfolge zuzurechnen, der die Kausalkette in Gang gesetzt hat. Wurde die Handlung des Mandanten durch das haftungsbegründende Ereignis geradezu herausgefordert oder bestand für sie ein rechtfertigender Anlass, so bleibt der Zurechnungszusammenhang mit dem Verhalten des Anwalts bestehen. Der Begriff des rechtfertigenden Anlasses ist in einem weiten Sinne zu verstehen. Es genügt, dass es sich um eine Entschließung handelt, die nicht als ungewöhnlich oder gänzlich unangemessen zu bewerten ist.
Rz. 47
Die Beendigung einer rechtlichen Auseinandersetzung durch Vergleich oder durch eine Verständigung im Betriebsprüfungsverfahren ist i.d.R. als vernünftige Reaktion in diesem Sinne anzusehen. Hat der Mandant die Entscheidung, Wertpapiere zu verkaufen, ersichtlich von den steuerlichen Wirkungen des Verkaufs abhängig gemacht und unterlässt er aufgrund einer fehlerhaften Rechtsauskunft des Beraters die Veräußerung, so sind diesem die anschließend eingetretenen Verluste haftungsrechtlich zuzurechnen, solange der Mandant die wahre Rechtslage nicht kennt. Versucht eine Partei, den ihr infolge des Anwaltsfehlers drohenden oder bereits eingetretenen Schaden mittels einer Klage gegen einen Dritten abzuwenden, bleibt diese Klage jedoch erfolglos, so sind auch diese Folgen dem Fehler des Beraters zuzurechnen, sofern bei vernünftiger Beurteilung eine realistische Chance bestand, den Rechtsstreit zu gewinnen. Bei fehlender Erfolgsaussicht haftet der Berater, der, obwohl er auf die Entschließung des Mandanten hätte Einfluss nehmen können, nicht davon abgeraten hat, den Prozess zu führen. Ist der Schaden dadurch entstanden, dass der Mandant von der gemeinsamen Veranlagung nach § 26b EStG Abstand genommen hat, ist ebenfalls der Zurechnungszusammenhang zu bejahen, wenn dieses Verhalten durch eine Pflichtwidrigkeit des Beraters herausgefordert worden ist, den Umständen nach somit keine ungewöhnliche Reaktion dargestellt hat.
Rz. 48
Dies gilt grds. auch dann, wenn der Rechtsanwalt eine gebotene Maßnahme unterlassen hat und der Mandant das Vertragsverhältnis kündigt, bevor der Schaden eintritt, dieser aber im Zeitpunkt der Kündigung noch hätte vermieden werden können; denn der Anwalt hätte trotz der Kündigung noch den bisher versäumten Hinweis erteilen können. I.Ü. wird der Zurechnungszusammenhang nicht schon dadurch unterbrochen, dass der Mandant den Vertrag beendet und einen anderen Berater hinzugezogen hat; denn eine solche Maßnahme kann regelmäßig nicht als ungewöhnliche, völlig unangemessene Entschließung gewertet werden. Besonders bedeutsam ist dies für die Fälle, in denen der Anwalt versäumt hat, den Mandant auf den drohenden Ablauf der Verjährung hinzuweisen. Hier wird der Zurechnungszusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden nicht ohne Weiteres dadurch unterbrochen, dass der Mandant vor Ablauf der Verjährungsfrist einen anderen Rechtsanwalt mit der Prüfung von Schadensersatzansprüchen gegen den ersten Anwalt beauftragt. Aber auch dann, wenn der fehlerhafte Hinweis des ersten Anwalts nachwirkt, weil der zweite Anwalt den Mandanten nur unvollständig beraten hat, entfällt der Zurechnungszusammenhang zu der nach der zweiten Beratung getroffenen Entschließung grundsätzlich nicht.
Rz. 49
Hat der Anwalt den Mandanten durch einen Beratungsfehler in eine ungünstige Situation ggü. seinem Vertragspartner gebracht, entspricht es durchaus der Lebenserfahrung, dass jener daraus Vorteile zu ziehen sucht, auf die er keinen Anspruch hat. Entschließt sich der Mandant in einer solchen Lage, dem Begehren des Vertragsgegners nachzugeben und es nicht auf einen Prozess ankommen zu lassen, handelt es sich im Allgemeinen um einen normalen Geschehensablauf, der die Zurechnung bestehen lässt. Jedoch darf sich der Mandant nicht zu Leistungen verpflichtet haben, für deren Gewährung kein vertretbarer Anlass bestand. Ein völlig unsachgemäßes Verhalten des Mandanten hat der BGH in einem Falle bejaht, in dem dieser aufgrund anderweitiger rechtlicher Beratung noch rechtzeitig die Hinweise erhalten hatte, um den aus einem Anwaltsfehler drohenden Schaden abzuwenden, sich jedoch aus schlechthin unvertretbaren Gründen völlig uneinsichtig verhalten hatte. Dasselbe trifft für vorsätzlich falsche Erklärungen zu, die bewirkt haben, dass der Berater den durch seine Pflichtverletzung drohenden Schaden nicht mehr abwenden konnte.
Rz. 50
Der Zurechnungszusammenhang kann auch fehlen, wenn die durch das Handeln des Mandanten bewirkte Überschuldung nicht auf der Fortsetzung der üblichen Geschäftstätigkeit, sondern auf der Eingehung wirtschaftlich nicht vertretbarer Risiken beruht. Dies setzt jedoch voraus, dass die Grenzen, in denen sich ein verantwortungsvolles, ausschließlich am Unternehmenswohl ausgerichtetes Verhalten bewegen muss, deutlich überschritten sind. Dies ist der Fall, wenn die Bereitschaft, unternehmerische R...