Rz. 98
Der Geschädigte soll im Wege des Schadensersatzes grds. nicht mehr erhalten als das, was er nach der materiellen Rechtslage hätte verlangen können.. Der Verlust oder die Vorenthaltung einer tatsächlichen oder rechtlichen Position, auf die nach der Rechtsordnung kein Anspruch besteht, stellt keinen ersatzfähigen Schaden dar. Verliert der Mandant den von ihm geführten Rechtsstreit wegen eines Anwaltsfehlers, steht ihm kein Schadensersatzanspruch zu, wenn das Ergebnis des Prozesses dem materiellen Recht entspricht. Einer Partei, deren Berater es versäumt hat, rechtzeitig Einspruch gegen einen Steuerbescheid einzulegen, ist dadurch kein ersatzfähiger Nachteil entstanden, wenn sie keinen Anspruch auf Steuerbefreiung hatte. Dies gilt sogar dann, wenn die Finanzverwaltung zum maßgeblichen Zeitpunkt einen anderen Standpunkt einnahm. Hat der rechtliche Berater eine für den Mandanten gefertigte Selbstanzeige versehentlich ohne vorherige Abstimmung mit diesem der Finanzverwaltung übermittelt, liegt in der anschließenden Festsetzung der Steuerpflicht kein Schaden, wenn sie in Übereinstimmung mit dem materiellen Recht ergangen ist.
Rz. 99
Vorteile, die nur durch Verletzung eines gesetzlichen Verbots oder Verstoß gegen die guten Sitten hätten erlangt werden können, sind nicht zu erstatten. Daher kann ein entgangener Steuervorteil grds. nur als Schaden im Rechtssinne geltend gemacht werden, wenn er rechtmäßig und nicht unter Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten hätte erlangt werden können. Handelt es sich um entgangenen Gewinn aus verbotswidrigen Verträgen, schließt die Rechtswidrigkeit des Handelns einen Ersatzanspruch allerdings nur dann aus, wenn das einschlägige Gesetz sowohl die Vornahme des Rechtsgeschäfts missbilligt als auch dessen rechtliche Wirksamkeit verhindern soll. Ebenso scheitert ein Anspruch auf entgangenen Gewinn nicht schon deshalb, weil dem Geschädigten zur Ausführung des beabsichtigten Geschäfts die dafür erforderliche Genehmigung fehlte, die er auf Antrag hätte erlangen können, sofern er nicht wissentlich gegen die gesetzliche Ordnung verstoßen hat.
Rz. 100
Verliert der Mandant die Möglichkeit, durch ein unbegründetes Rechtsmittel die Erfüllung einer berechtigten Forderung hinauszuzögern, stellt dies keinen Schaden im Rechtssinne dar. Dies gilt gleichermaßen, wenn infolge eines nicht ordnungsgemäß eingelegten oder begründeten Rechtsmittels ein nachteiliger Verwaltungsakt (hier Entzug der Zulassung als Kassenarzt) früher vollziehbar wird, als dies bei einer sachlichen Entscheidung über das Rechtsmittel der Fall gewesen wäre. Der Kläger hat ein schutzwürdiges Interesse i.S.d. Schadensbegriffs nur an einer richtigen Entscheidung, nicht dagegen an dem mit der Verlängerung des Verfahrens verbundenen Zeitgewinn durch Hinauszögern der Vollstreckung, wenn sich sein Begehren als unbegründet erweist.
Rz. 101
Davon streng zu unterscheiden ist eine Rechtsposition, die der Kläger aufgrund eines rechtskräftigen Urteils erlangt hat. Der titulierte Anspruch bildet selbst dann, wenn er auf einer materiell oder verfahrensrechtlich unrichtigen Entscheidung beruht, einen rechtlich geschützten Vermögenswert, dessen Verlust einen ersatzfähigen Schaden darstellt. Kann der Mandant den Titel infolge anwaltlichen Verschuldens nicht mit Erfolg vollstrecken, haftet der Anwalt auf Schadensersatz. Dies setzt selbstverständlich voraus, dass der Mandant den Titel überhaupt durchsetzen wollte. Ist das Erwirken oder Ausnutzen des Titels ausnahmsweise als vorsätzliche sittenwidrige Schädigung (§ 826 BGB) zu werten, hat der Titelinhaber, dem der damit erstrebte Erfolg nicht gelingt, keinen rechtserheblichen Nachteil erlitten.
Rz. 102
Bildet der Titel trotz gerichtlicher Fehlentscheidung einen rechtlich geschützten Vermögenswert und hat der unterlegene Prozessgegner seinerseits gegen den von ihm beauftragten Anwalt einen Regressanspruch, so ist die Pfändung dieser Forderung ein rechtlich zulässiges Mittel, den Titel durchzusetzen. Versäumt der Anwalt dies, ist darin ebenfalls ein Schaden im Rechtssinne zu sehen.
Rz. 103
Hat der Mandant infolge eines dem Anwalt zuzurechnenden Fehlers ein Vergleichsangebot der Gegenseite nicht angenommen oder einen schon geschlossenen Vergleich widerrufen, ist ihm dadurch i.d.R. auch dann ein Schaden im Rechtssinne entstanden, wenn sein ursprüngliches Begehren rechtlich nicht begründet war; denn ein den Streit erledigender Vergleich ist gleichwohl wirksam. Aus einem Vergleichsangebot und erst recht aus einem widerruflich abgeschlossenen Vergleich erwächst dem Mandanten daher eine selbstständige Vermögensposition, deren Verlust unabhängig von der Rechtslage, die sich ohne den Vergleich ergibt, einen ersatzfähigen Schaden darstellt. Diese in einzelnen Berufungsurteilen vertretene Auffassung hat der BGH durch Nichtannahme der Revisionen gebilligt.
Rz. 104
Aus Rechtshandlungen einer Behörde kann d...