Rz. 138
Bezugspunkt des Gesamtvermögensvergleichs ist grundsätzlich nur das Vermögen des Geschädigten, nicht dasjenige Dritter. Soweit nicht ausnahmsweise die Voraussetzungen eines Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte oder der Drittschadensliquidation gegeben sind (vgl. § 10 Rdn 1 ff., 82), hat der haftpflichtige Anwalt nur für den Schaden des Mandanten einzustehen. Nachteile, welche der Mandant infolge fehlerhafter Beratung erleidet, werden durch eine zugleich bewirkte Steuerersparnis eines Angehörigen oder eines sonstigen Dritten in aller Regel nicht ausgeglichen. Deshalb ist festzustellen, in wessen Person der Schaden eingetreten ist. Wird der Anwalt von einer Gesellschaft mandatiert, ist daher streng zwischen dem Schaden der Gesellschaft und demjenigen der Gesellschafter zu unterscheiden. Die juristische Person ist für die schadensrechtliche Beurteilung als selbstständiges Zurechnungsobjekt zu behandeln. Aus einem Schaden der Gesellschafter folgt nicht automatisch ein vermögensrechtlicher Nachteil der Gesellschaft. Die Saldierung eines Steuernachteils der Gesellschaft mit einem Anrechnungsvorteil des Gesellschafters kommt danach ebenfalls nicht in Betracht.
Rz. 139
Nach der Rechtsprechung des BGH kommt jedoch außerhalb des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte sowie der Drittschadensliquidation die Einbeziehung der finanziellen Interessen Dritter in Betracht, wenn die Einbeziehung der Vermögensinteressen des Dritten nach dem Inhalt des Beratungsvertrages geschuldet war. Der BGH spricht dann von konsolidierter Schadensberechnung. In solchen Fällen können Nachteile des Mandanten durch die zugleich bewirkte Steuerersparnis eines Angehörigen oder eines sonstigen Dritten ausgeglichen werden. Hat die steuerliche Beratung die Interessen mehrerer verbundener Unternehmen oder mehrerer vom Mandanten beherrschter Gesellschaften zum Gegenstand, hat die Schadensberechnung unter Einbeziehung der Vermögenslage der betreffenden Unternehmen zu erfolgen. Hat die steuerliche Beratung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach dem Inhalt des Vertrages auch die Interessen der Gesellschafter zu berücksichtigen, sind deren Vermögenslagen in die Schadensberechnung einzubeziehen.
Rz. 140
Die grundsätzlich gebotene formale Betrachtungsweise darf außerdem nicht zu wirtschaftlich widersinnigen Ergebnissen führen. Das wird aus einem Urteil des BGH deutlich, welches die Haftung des Beraters für einen bei der Verschmelzung von zwei Kapitalgesellschaften entstandenen Schaden betrifft. Dort war die Person des Rechtsträgers unwesentlich, weil es immer um dieselbe Vermögensmasse ging, deren Bestand durch die Verschmelzung gesichert werden sollte. In einem solchen Fall hat der Berater der verbleibenden Gesellschaft den Schaden zu ersetzen, der darin besteht, dass es bei ihr zu einer höheren Steuerbelastung kommt, als sie bei einer Verschmelzung auf die untergegangene Gesellschaft eingetreten wäre.