Rz. 63
Das Berufungsurteil hielt der revisionsrechtlichen Überprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung stand der Klägerin der im Revisionsverfahren noch streitgegenständliche Anspruch nicht zu.
Rz. 64
Bereits der Leistungsempfänger hatte keinen durchsetzbaren Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte.
Rz. 65
Im Ergebnis noch zutreffend war das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass dem Leistungsempfänger dem Grunde nach ein entsprechender Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger zustand.
Rz. 66
Fraglich war allerdings, ob sich dieser Anspruch – wie das Berufungsgericht meinte – aus § 18 Abs. 1, § 7 Abs. 1 StVG ergab. Denn es war jedenfalls zweifelhaft, ob der Leistungsempfänger aus § 18 Abs. 1 StVG einen Anspruch für sich herleiten konnte. Ganz überwiegend wird davon ausgegangen, dass die Fahrerhaftung aus § 18 StVG nicht gegenüber dem Halter besteht, der Halter den Fahrer also nicht aus § 18 Abs. 1 StVG in Anspruch nehmen kann (OLG Hamm, NJW-RR 2016, 281 Rn 14; BeckOGK/Walter, 1.11.2017, StVG § 18 Rn 4; Greger/Zwickel, in: Greger/Zwickel, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 5. Aufl., § 4 Rn 34; Stiefel/Maier/Jahnke, Kraftfahrtversicherung, 19. Aufl., VVG § 115 Rn 29; Hentschel/König/Dauer/König, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl., StVG § 18 Rn 3; Freymann/Wellner/Laws/Lohmeyer/Vinke, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl., § 18 Rn 44; a.A. OLG Frankfurt a.M., VersR 1994, 1000, 1001). Begründet wird dies damit, dass § 18 StVG auf § 7 StVG Bezug nehme (so etwa Greger/Zwickel, a.a.O.; Jahnke, a.a.O.). Entsprechendes könnte im Falle einer sogenannten "Schwarzfahrt" gelten, wenn es sich beim Geschädigten zwar nicht um den Halter, wohl aber um den dem Halter im Rahmen von § 7 StVG durch § 7 Abs. 3 S. 1 Hs. 1 StVG gleichgestellten unberechtigten Benutzer handelt.
Rz. 67
Im Streitfall konnte dies aber schon deshalb offen bleiben, weil jedenfalls die Voraussetzungen des § 823 Abs. 1 BGB und des § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 229 StGB erfüllt waren. Auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts hatte der Schädiger den Verkehrsunfall und damit auch die beim Leistungsempfänger eingetretene Körper- und Gesundheitsverletzung nämlich zumindest dadurch schuldhaft verursacht, dass er die Vorfahrt des Unfallgegners nicht beachtet hatte. Aus § 828 Abs. 3 BGB folgte nichts anderes. Zwar hatte der damals 16-jährige Schädiger zum Unfallzeitpunkt das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet. Die Revision zeigte aber nicht auf, dass die insoweit darlegungsbelastete (vgl. Senatsurt. v. 30.11.2004 – VI ZR 335/03, BGHZ 161, 180, 187) Beklagte in den Vorinstanzen vorgetragen hätte, dass der Schädiger im Unfallzeitpunkt nicht über die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht verfügte.
Rz. 68
Revisionsrechtlich unbedenklich und deshalb im Revisionsverfahren zugrunde zu legen war auch die Würdigung des Berufungsgerichts, das Mitverschulden des Leistungsempfängers im Verhältnis zum Schädiger sei mit nicht mehr als 50 % zu berücksichtigen. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist die Entscheidung über die Haftungsverteilung Sache des Tatrichters und im Revisionsverfahren nur darauf zu überprüfen, ob alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und der Abwägung zulässige Erwägungen zugrunde gelegt worden sind. Entsprechende Fehler zeigte die Revision weder auf, noch waren solche unabhängig davon ersichtlich. Insbesondere legte die Revision nicht dar, dass das Berufungsgericht im Rahmen der von ihm vorgenommenen Abwägung zu Lasten des Leistungsempfängers und zugunsten des Schädigers zu berücksichtigende Umstände unberücksichtigt gelassen hätte.
Rz. 69
Unzutreffend war aber die Annahme des Berufungsgerichts, dieser Anspruch könne auch direkt gegenüber der Beklagten als dem Kfz-Haftpflichtversicherer des vom Schädiger gelenkten Motorrollers geltend gemacht werden.
Rz. 70
Die Voraussetzungen für einen Direktanspruch des Leistungsempfängers gegen die Beklagte gemäß § 3 Nr. 1 S. 1 PflVG a.F. waren im Streitfall allerdings grundsätzlich erfüllt. Nach dieser Vorschrift kann der geschädigte Dritte seine Ansprüche auf Ersatz seines Schadens im Rahmen der Leistungspflicht des Kfz-Haftpflichtversicherers aus dem Versicherungsverhältnis und, soweit eine Leistungspflicht nicht besteht, im Rahmen von § 3 Nr. 4 bis 6 PflVG a.F. auch gegen den Versicherer geltend machen.
Rz. 71
Der Leistungsempfänger war "Dritter" i.S.v. § 3 Nr. 1 S. 1 PflVG a.F. Ob er selbst zum Kreis der im Rahmen des Haftpflichtversicherungsverhältnisses mitversicherten Personen gehörte, war dabei unerheblich. Denn in der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass auch der durch den Fahrer eines Kraftfahrzeugs verletzte Halter "Dritter" im Sinne dieser Vorschrift sein und ihm hinsichtlich seines (Personen-) Schadens deshalb – wie einem am Haftpflichtversicherungsvertrag unbeteiligten Dritten – ein Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer aus § 3...