Rz. 3
Das angefochtene Urteil hielt revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Die Revision griff das Urteil insoweit an, als das Berufungsgericht den Mitverschuldensanteil der Klägerin im Hinblick darauf teilweise mit mehr als 40 % bemessen hatte, dass diese bei dem Zweitunfall, nämlich als es zum Aufprall des von dem Beklagten zu 1 gelenkten Pkw auf ihren eigenen Pkw kam, nicht angegurtet gewesen sei. Damit hatte sie Erfolg. Die Revision beanstandete zu Recht, dass das Berufungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen hatte, inwieweit sich der Umstand, dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Zweitunfalls den Sicherheitsgurt nicht angelegt hatte, auf die von ihr erlittenen Verletzungen ausgewirkt hatte.
Rz. 4
Die Entscheidung über eine Haftungsverteilung im Rahmen des § 254 BGB oder des § 17 StVG ist grundsätzlich Sache des Tatrichters und im Revisionsverfahren nur darauf zu überprüfen, ob der Tatrichter alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zugrunde gelegt hat. In erster Linie ist hierbei nach der ständigen Rechtsprechung des BGH das Maß der Verursachung von Belang, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben. Daraus folgt, dass den Insassen eines Pkw, der entgegen § 21a Abs. 1 S. 1 StVO während der Fahrt den Sicherheitsgurt nicht angelegt hatte, im Falle einer Verletzung infolge eines Verkehrsunfalls nur dann eine anspruchsmindernde Mithaftung trifft, wenn im Einzelfall festgestellt ist, dass nach der Art des Unfalls die erlittenen Verletzungen tatsächlich verhindert worden oder zumindest weniger schwerwiegend gewesen wären, wenn der Verletzte zum Zeitpunkt des Unfalls angeschnallt gewesen wäre.
Rz. 5
Die danach gebotene Prüfung der Ursächlichkeit des Zweitunfalls für die von der Klägerin erlittenen Verletzungen hatte das Berufungsgericht versäumt. Es hatte nämlich weder festgestellt, welche Verletzungen die Klägerin erst durch den Aufprall des von dem Beklagten zu 1 gelenkten Pkw auf ihren Pkw erlitten hatte, noch welche dieser Verletzungen darauf zurückzuführen waren, dass sie nicht angeschnallt war. Es führte dazu lediglich aus, die Klägerin habe durch das Nichtanlegen des Sicherheitsgurts zur Entstehung der weitreichenden körperlichen und darauf basierenden finanziellen Unfallfolgen maßgeblich beigetragen. Eine Begründung dafür fand sich in den Gründen des angefochtenen Urteils nicht. Es hieß dort lediglich, die Klägerin sei durch den Aufprall aus dem Sitz gerissen und im Fahrzeug umhergeschleudert worden, was ohne Zweifel zumindest für gewisse weitere Verletzungen der Klägerin mitursächlich gewesen sei. Welche Verletzungen tatsächlich hätten verhindert werden können, wenn die Klägerin bei dem Zweitunfall angeschnallt gewesen wäre, wurde nicht festgestellt.
Das wäre zur Begründung einer darauf gestützten Mithaftung jedoch erforderlich gewesen, zumal vorliegend, gerade auch angesichts der hohen Aufprallgeschwindigkeit, zweifelhaft sein könnte, inwieweit das Nichtanlegen des Sicherheitsgurts für die eingetretenen Verletzungen ursächlich war.
Rz. 6
Die Revision beanstandete zudem mit Recht, dass das Berufungsgericht der Klägerin auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen überhaupt ein Mitverschulden wegen des Nichtanlegens des Sicherheitsgurts angelastet hatte.
Rz. 7
Da die Beklagten für die Folgen des Erstunfalls nicht einzustehen haben, kam es vorliegend nicht darauf an, ob und ggf. welche der dabei entstandenen Verletzungen durch das Anlegen eines Sicherheitsgurts hätten vermieden werden können. Für die Haftung der Beklagten war es deshalb unerheblich, ob die Klägerin angeschnallt war, als sich der Erstunfall ereignete.
Rz. 8
Zum Zeitpunkt des Zweitunfalls bestand für die Klägerin keine Anschnallpflicht, denn der Aufprall des von dem Beklagten zu 1 gelenkten Pkw ereignete sich nicht "während der Fahrt" ihres eigenen Pkw. Wie der erkennende Senat entschieden hat, dauert die gemäß § 21a Abs. 1 S. 1 StVO "während der Fahrt" bestehende Anschnallpflicht zwar auch bei kurzzeitigem verkehrsbedingten Anhalten fort (Senatsurt. v. 12.12.2000 – VI ZR 411/99, VersR 2001, 524), doch war nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen die Fahrt vorliegend dadurch beendet worden, dass der Pkw der Klägerin unfallbedingt an der Leitplanke zum Stehen gekommen war. Nachdem es zu diesem Unfall gekommen war, war die Klägerin mithin nicht nur berechtigt den Gurt zu lösen, um ihr Fahrzeug verlassen und sich in Sicherheit bringen zu können, sondern gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 2 StVO sogar dazu verpflichtet, nämlich um die Unfallstelle sichern zu können. Bei dieser Sachlage konnte ihr nicht angelastet werden, unangeschnallt gewesen zu sein, als sich der Zweitunfall ereignete.
Rz. 9
Das angefochtene Urteil konnte nach alledem keinen Bestand haben. Da keine weiteren Feststellungen zur Mitverursachung unter dem Gesichtspunkt des Nichtanlegens des Sicherheitsgurts zu treffen waren, konnte der erkennende Senat in der Sache ...